9.3.10

Das Messi-Syndrom

"Chef", rief ich beherzt über den Flur. "Ich muss Ihnen was gestehen."

Ich hatte erwartet, er würde erstarren, in Gedanken schnell alle verfügbaren Möglichkeiten durchgehen, was ich nun gestehen könnte, aber er sagte nur:

"Ach, Sie waren das." Es klang gequält. (Schon vor langer Zeit hatte er mir Stadionverbot erteilt.)

Ja, ich war das. Ich war im Stadion. Tut mir leid.

Es war aber auch ein quälend langer Abend gewesen, in quälender Kälte. Skiunterwäsche wärmt nicht grenzenlos, das weiß ich jetzt. An kalten Abenden in zugigen Fußballstadien stellt sie spätestens gegen Ende der ersten Halbzeit ihre Dienste ein. Ungefähr zusammen mit dem Torwart der deutschen Nationalmannschaft.

Aber von vorne. Diese Geschichte begann schon vor Weihnachten, als T. mich binnen Minuten überredete mit zum Spiel Deutschland - Argentinien zu kommen.

"Du weißt doch wie das ausgeht", sagte ich. "Du warst doch schon mal mit mir bei einem Länderspiel, du warst hinterher sauer auf mich, weil Deutschland drei-null gegen Tschechien verloren hat. Du wolltest mich nie wieder mitnehmen." (Wir erinnern uns.)

"Quatsch. Das wird lustig."

Darauf die Reaktionen der anderen Teilnehmer:

V.: "Super! Ich glaub an dich! Du brichst den Fluch!"

B. (auf T.s Ankündigung, er hätte Karten, ob B. eine wolle, leicht panisch): "Geht deine Schwester mit?!?!"

S. (auf T.s Ankündigung, er hätte Karten, ob S. eine wolle, leicht panisch): "Geht deine Schwester mit?!?!"

Ich glaube, wie B. und S. haben auch einige junge Nationalspieler reagiert, nur dass man sie zu spät gewarnt hat.

Wahrscheinlich hat erst kurz vor Spielbeginn jemand dem jungen René Adler auf die Schulter getippt und gesagt: "René, cool bleiben, sie ist hier. Guck, da oben, Südtribüne, Block 219, Reihe 21. Aber mach dir keinen Stress, sie bricht den Fluch." 

Woraufhin René Adler die ganze erste Halbzeit lang mit den Augen die Südtribüne absuchte, sich der besseren Sicht wegen in der 44. Minute zu weit vom Tor entfernte und... na ja. Das war dann das 1:0 für Argentinien.

Oder die anderen. Sicherlich hat dieser jemand kurz vor dem Einlaufen Ballack, Podolski und Klose beiseite genommen, sie traurig angesehen und gesagt: "Also, es ist wieder passiert. Sie ist da. Südtribüne, Block 219, Reihe 21. Es ist wie damals gegen Tschechien. Ihr kennt das. Macht euch keinen Kopf. Ist ja nur ein Freundschaftsspiel."

Aber die Herren gerieten trotzdem aus dem Takt und standen so verwirrt auf dem Platz herum, als müssten sie erst überlegen, wie das nun wieder geht mit dem Ball.

Zum wiederholten Mal ziehe ich daraus die Lehre: Nie wieder Stadion.

Nix da, sagt V. Jetzt erst recht. Auf 20 schlechte Spiele folgt ein gutes.

Zählt das pro Mannschaft? Muss ich mir noch 18 mal die Nationalmannschaft anschauen?

Nein, sagt V., das zählt insgesamt.

Wenn ich richtig gerechnet habe, liegen also noch 13 frustrierende Stadionbesuche vor mir.

Wer kommt mit?

1 Kommentar:

  1. B.aus O.12:03 AM

    Liebe N. aus M. Ich muss gestehen das ich ein Riesen Fan ihrer Texte bin... Einmal mehr haben sie (Ich denke es ist nicht übertrieben wenn ich sie SCHREIBGÖTTIN nenne) bewießen das sie einer der besten Autorinen ihrer Zeit sind.....Ich bedanke und verneige mich vor ihren Texten und deswegen (und NUR deswegen) wird es mir es mir auch in Zukunfg eine Ehre sein ihnen mein Stationheft als Sitzunterlage zur Verfügen zu stellen...Liebe Frau N. Aus M. gehen sie auch weiterhin ins Stadion...Allein an ihnen liegt es diesen Fluch zu besiegen.... Ich glaube an das Gute in ihnen.......
    Herzlichst ihr B. aus O.

    Ps: Spaß beiseite-des war mal ein SAU COOLER TEXT von dir liebe N. ...... Ich bin ein Riesen Fan!!!!!!!!!!

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