2.10.10

Nichts ist normal

Seit die FußballerIN da ist, läuft der Fußball ein bisschen neben her. Zumindest bei mir. Ich höre mich oft fragen "Gegen wen spielen wir heute?" und vergesse es gleich wieder. Frage noch mal. Frage dann nach unserem Tabellenplatz. Kann es nicht glauben. Schläft das Kind, muss ich das gleich noch mal im Videotext überprüfen. Stimmt auch noch. Punktgleich mit Bayern.

Das ist doch nicht normal.

Nichts ist normal in dieser Bundesligasaison, sagt V.

Davon wird er der FußballerIN an ihrem 30. Geburtstag noch erzählen. Du kamst auf die Welt, und die Bundesliga stand Kopf. Aber so richtig. Mainz Tabellenführer mit sieben Siegen in Folge, Stuttgart und Schalke auf Abstiegsplätzen, und der Club mittendrin, Ende Oktober mit so vielen Punkten wie vergangenes Jahr zu Weihnachten.

Aber seit die FußballerIN da ist, ist ja auch bei uns nichts normal. Alles diktiert die neue Cheftrainerin, die neue Clubpräsidentin im Haus, die Trainermanagerin, unser kleiner Felix Magath.

Obwohl sich langsam ja das meiste wieder normalisiert. Wir emanzipieren uns ein bisschen von Fräulein Magath. Wir versuchen es.
Zum Beispiel schlief die FußballerIN gestern doch tatsächlich mal gegen 22 Uhr ein. Oder simulierte zumindest Schlaf. Schlich ich angespannt auf Wollsocken übers Parkett Richtung Tür, verharrte bei jedem Knarzen einige Sekunden (Zuckt das Kind? Wacht es etwa auf? Grunzt es nur? Oder ist das schon die Heul-Vorstufe?), erreichte schließlich das Wohnzimmer, voller Vorfreude, Bayern-Bremen, wenigstens fünf Minuten - da sagt der V.: "Ist schon aus. Bayern hat gewonnen." Aber ich wollte doch Elfmeterschießen.

Was außerdem nicht normal ist:

Niemand hat uns Club-Kleidung fürs Kind geschenkt. Hat sich keiner getraut. Ausrede: "Wir dachten, ihr hättet schon so viel von anderen bekommen." Mussten wir nun selber bestellen. Wird hier vorgeführt, wenn es passt. Ebenso der Fan-Body der SG Gabolshausen/Untereßfeld, der ist sogar eine Einzelanfertigung.

V. trägt Tragetuch. Fand er vor Ankunft der FußballerIN noch "affig" ("Kannst vergessen, dass ich mir so ein Ethno-Tuch umbinde"), trägt er jetzt mit Hingabe. Sagt, damit flirteten ihn Frauen an, die hätten ihn früher nicht mal bemerkt. Ich war Zeuge. Neulich, der V. hatte sich das Kind wieder an die Brust geschnallt, kam uns eine Gruppe Frauen entgegen und schmolz bei seinem Anblick schier dahin. "Ohhhhhh, wie süß!"

Ich war beleidigt. Wenn ich mir das Kind umbinde, fragen mich alte Omas, ob ich ihm damit nicht die Knochen kaputt mache.