15.12.08

Die anderen spielen auch nicht schlecht

In der Nacht von Samstag auf Sonntag erwäge ich das Engagement eines Mentaltrainers. Für V. - der wälzt sich nämlich schlaflos neben mir, so sehr regt ihn die Begegnung 1860 gegen FCN zwölf Stunden vorher schon auf. Noch beim Frühstück beschließe ich, dass das mit dem Mentaltrainer keine schlechte Idee ist. Der könnte V. vor unserem nächsten Stadionbesuch bestimmt beruhigend zur Seite stehen. 
Vielleicht kann ich ihm das auch zum Geburtstag schenken.

V. hat auf andere Weise vorgesorgt: Nämlich mit Thermo-Unterwäsche, neuer Mütze und Handschuhen. Der Sonntagnachmittag verspricht ein besonders kalter zu werden. Über mein eigenes Befinden mache ich mir zu diesem Zeitpunkt kaum Gedanken.

Wir sind schon längst in der Allianz Arena angekommen, da spüre ich erst, welcher Druck auf mir lastet. Ich sehe in die entsetzten Augen von H. und A., als ich ihnen erzähle, dass der Club bislang in meiner Gegenwart immer nur verloren hat. Und dafür sind sie über drei Stunden mit dem Zug angereist. Um sich von mir den Sonntag verderben lassen. 
Schon vor dem Anpfiff habe ich ein schlechtes Gewissen.

Das 1:0 für den Club beruhigt mich, die Halbzeit nicht mitgerechnet, keine Viertelstunden, die 60er legen ja gleich nach. Ich ärgere mich. Rutsche unruhig auf meinem Sitz hin und her. Verziehe den Mund zu einem konzentrierten Strich. V. lacht sich kaputt. Die anderen spielen ja auch nicht schlecht, sagt er. Das klang vor dem Spiel aber noch anders.

Nach 90 Minuten und einem Unentschieden bin ich immerhin dankbar, dass der Club diesmal zumindest nicht verloren hat. Vielleicht klappt's ja nächstes Mal. Bis dahin bin ich ernsthaft auf der Suche nach einem Mentaltrainer. 

Nein, nein, doch nicht für V. Ich dachte da eher an mich.

10.12.08

Der Jahrestag

Händchen halten wir nicht. "Jetzt nicht", sagt V. "Das ist gerade viel zu spannend."

Romantisch ist es trotzdem. Es ist Montag und unser elfter Jahrestag und irgendwie schon schön, dass der 8. Dezember vor elf Jahren auch ein Montag war und für den Club ein Zweit-Liga-Spieltag. 

"Wie geht's?" frage ich in der 23. Spielminute. "Ein 2:0 ist noch nicht gut", orakelt V. 

Beim 3.0 vergesse ich dann, mich zu freuen, weil ich's erst nicht kapiere, beim 4:0 holt V. gerade das Nutella-Glas aus der Küche und kann sich nur über die Zeitlupe freuen.

Aber dann sind wir plötzlich sehr beseelt von diesem Jahrestag, über den Marek Mintal nur sagt: "Ist gut für Mannschaft, ist gut für Club." Jawoll. Und Blumen hab ich auch bekommen.

8.12.08

Immobilien

"Und in zehn Jahren kaufen wir uns dann zwei nebeneinander liegende Doppelhaushälften", sagt A. 

Vor meinem inneren Auge sehe ich eine kitschig-bürgerliche Idylle, in der A. und ich, jede mit einem Glas Rotwein in der Hand, auf einer Hollywood-Schaukel liegen, um uns herum springt eine Schar hübscher, hochintelligenter Kinder, am Grill stehen V. und D. vor mehreren Lappen Fleisch, während im Haus der neue Super-Receiver alle Bundesliga-Begegnungen des Tages gleichzeitig aufzeichnet.

V.s Vision sieht ähnlich aus, aber er hat noch einen Einwand.

"Dann müssen wir uns einigen, welche Fahne im Garten hängt, Club oder Mainz."

Daran hatte ich natürlich nicht gedacht.

"Obwohl", sagt V. "Ist ja beides rot-weiß, passt schon."

Idylle, wir kommen.

5.12.08

Empfang (3)

Der Receiver ist da. Er hat mindestens 1000 Programme, sprach anfangs nur Tschechisch und verfügt über keinen wie auch immer gearteten Schlitz für Bezahlfernsehen.

V. im Rausch. DSF, Eurosport, Canal Futbol und und und.

Da unterbreche ich nur ungern.  "Wir haben am Montag ja Jahrestag", sage ich.

V. antwortet, wie ich es von ihm erwarte: "WAS?! Am MONTAG?! Nein, bitte tu mir das nicht an, nicht am MONTAG! Ich hab schon den Mittwoch für dich geopfert."

Am Mittwoch, während andere Männer versuchen die Champions League zu gewinnen, schleift mich V. beim Samba übers Parkett.

Seine Stimme bekommt einen flehentlichen Unterton: "Am Montag ist doch das Spiel gegen Rostock! Das wird übertragen! Und jetzt haben wir doch DSF!"

Immerhin hat er schon einmal ein Montags-Club-Spiel für mich sausen lassen. Vor elf Jahren. Das kann ich ihm nicht schon wieder antun.

1.12.08

Verhört

"Ach, und hab ich einen wirklich tollen Artikel im Stern gelesen", rufe ich V. zu, der im Schlafzimmer an der Bügelwäsche verzweifelt, während ich mir in der Küche noch ein Salami-Brot schmiere.

"Über Jürgen Klopp." 

Na ja, ich rufe das weniger, als das ich es am Salami-Brot vorbeimüffele, deshalb kommt etwas raus das eher klingt wie "... .... Kl...bb."

Plötzlich schießt V. um die Ecke. "Was?! Wo?! Wie lange?! Hast du's dabei? Kann ich's lesen?"

Ich gucke ein bisschen verständnislos, schlucke das Salami-Brot hinunter, um mich wieder einwandfrei artikulieren zu können und sage: "Seit wann bist du so interessiert an Jürgen Klopp?"

Verständnislosigkeit bei V. "Klopp? Ich dachte, ich Stern steht was über den Club!"

Er schlurft zurück ins Schlafzimmer und murmelt noch eine Zeitlang kopfschüttelnd "Klopp, Klopp, als ob mich der interessieren würde" vor sich hin.

26.11.08

Empfang (2)

Die Handwerker sind fertig, die Anschlüsse gelegt, jetzt brauchen wir noch einen Receiver. Über die Vermieterin kann man wohl einen bestellen. Wollten wir eigentlich auch so machen. 
Dachte ich.

Bis V. sagt: Wir sollten darauf achten, dass der neue Receiver auch einen Slot für eine Pay-TV-Karte hat.

Ich: ?

V: Falls man mal Premiere haben möchte.

Ich: Aber warum sollte man denn Premiere wollen?

V: Man könnte dann zum Beispiel D. einladen und ein bisschen Bundesliga-Konferenz schauen.

Ich: Ich glaube nicht, dass man das möchte. Dann geht man ja gar nicht mehr aus dem Haus. Bundesliga kann man doch auch nebenan in der Kneipe schauen.

V: Aber die zeigen doch nur Bayern-Spiele!!!

Es entspinnt sich ein kleiner Streit darüber, ob man jetzt wirklich Premiere braucht. Halbherzig lasse ich mich davon überzeugen, dass es sich dabei nicht um ein richtiges, kostenspieliges Abo handeln würde, sondern eher um das Abonnement einzelner Spiele. Man hat das natürlich alles längst im Internet recherchiert.

Ok. Dann macht man das halt. Fehler. Denn ab dieser Stelle denkt man gleich weiter.

V: Natürlich wäre dann ein Receiver mit Festplatte noch viel besser. 

Ich: Warum?

V: Dann kann mann aufnehmen, was man schauen möchte und es dann ohne Werbung schauen.

Ich: Aber so viel Fernsehen schauen wir doch gar nicht.

V: Praktisch wäre es auch, wenn ein Kind da wäre. Angenommen, das schläft um 20.15 Uhr noch nicht - so ist es zum Beispiel bei D. - um 20.45 Uhr aber schon. Verpasst man immer den Anfang von einem guten Film. Kann man mit dem Receiver aufnehmen und einfach ab 20.45 Uhr gucken. Kostet halt 300 Euro.

Ich: Aber wir haben doch gar kein Kind!

25.11.08

Empfang (1)

Montagmorgen, 7.30 Uhr, es klingelt an der Tür.
Davor stehen zwei Handwerker. Der eine hat eine Glatze, der andere trägt ein bayerisches Trachtenmützerl und spricht mit polnischem Akzent.

Sie installieren gerade eine Satellitenanlage im Haus, dafür müssen sie in jeder Wohnung Löcher bohren und Kabel verlegen. V. führt durch unsere Wohnung, rückt Möbel zur Seite, zeigt Anschlüsse, fachsimpelt. Bejaht die Frage, ob wir einen Receiver brauchen. Händigt den Handwerkern einen Schlüssel aus.
Die bedanken sich und setzen ihre Runde bei unseren Nachbarn fort.

V. schließt die Tür hinter ihnen mit einem breiten Grinsen.

"Ist das nicht wunderbar?"

Ich bin kurz verwirrt. Was ist denn so wunderbar an einer Satellitenanlage? Der DVBT-Receiver hat's die ganze Zeit doch auch getan.

"DSF!!" ruft V. "Die Montagsspiele live!!! Wahnsinn!"

Wie reagiert die vorbildliche Ehefrau?

Sie zaubert ein warmes Lächeln auf ihr Gesicht und sagt:

Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist.

6.11.08

Leidenschaft

Plötzlich drückt er mir einen Kuss auf die Lippen und ich denke noch, sind sie nicht schön, diese überraschenden Liebesbeweise aus dem Nichts, einfach so, ist das nicht schön verheiratet zu sein, alles richtig gemacht mit diesem Mann...

...da sagt V: Wir führen Eins-Null!

Und ist schon wieder weg.

9.10.08

WM-Quali (1): Unser Torwart ist verletzt.

Zum Glauben an Gott gehört, dass man sich nie darüber Gedanken macht, was passiert, wenn er zurücktritt oder zum VfB Stuttgart geht.

Wem das jetzt blasphemisch vorkommt, der kann sich nur nicht mehr daran erinnern, dass Jens Lehmann an dieser Stelle mal als "Gott" bezeichnet wurde. Und da, nebenbei gesagt, M. das immer wieder gerne aufwärmt, möchte ich mich auch noch mal darauf beziehen.

Als das mit "Lehmann ist Gott" gesagt wurde, war er noch Torwart der Nationalmannschaft und spielte bei Arsenal London. Zwei Jahre später ist er Mitglied der gleichen Bundesliga-Mannschaft wie Mario Gomez (!) und gehört nicht mehr zur Nationalmannschaft. Mario Gomez seltsamerweise schon, aber dazu ein ander Mal mehr.

Früher, als die Götter noch Sepp Maier, Bodo Ilgner oder Andi Köpke hießen, folgte auf den Tor-Gott einfach der Vize-Gott, oder (ab jetzt keine Anspielungen auf Gott mehr): Trat der erste Mann im Tor zurück, rückte der zweite nach - meist nachdem er schon mehrere Welt- und Europameisterschaften von der Bank aus betrachtet hatte, wahrscheinlich gegen die missgünstige Hoffnung ankämpfend Gott-Eins (sorry) möge sich im Viertelfinale gegen England ganz schrecklich die Hand verletzen.

Seit aber Gott auf einen Titanen folgte (nun aber ernst, keine Gott-Seitenhiebe mehr, versprochen), versucht auch Joachim Löw in der deutschen Nationalmannschaft das Prinzip des Erbfolgekriegs zu etablieren. Auf dem Schlachtfeld: Robert Enke, Rene Adler, Manuel Neuner und Tim Wiese. Sollte letztere vier in den vergangenen Wochen missgünstige Gedanken niedergekämpft haben, so wurden diese erhört.

Robert Enke hat sich an der Hand verletzt und jetzt sind wir mal gespannt, wer am Samstag gegen Russland im Tor steht. 

Außer Tim Wiese kenne ich keinen und wegen Tim Wiese habe ich mich dagegen entschlossen, Werder-Fan zu werden.

7.10.08

Neues aus der 2. Liga

Fast vier Monate Blog-Pause - was ist passiert?

Nürnberg hat einen neuen Trainer. Michael Oenning.
V. hat geheiratet. Mich.
Und so schließt sich ein Kreis: Ob erster Kuss oder Jawort - bei wichtigen Ereignissen im Leben spielt der Club gerade in der 2. Liga.

Und dort spielt er schlecht. Leider kann daran wohl auch nichts Michael Oenning ändern, von dem ich von Anfang an hellauf begeistert war: studierter Germanist, Grimme-Preisträger und neben dem Platz so dynamisch wie Jürgen Klopp.

Ich freute mich ehrlich über Oennings Start als Trainer, denn, das muss ich gestehen, sonst wäre ich fast der Versuchung erlegen, Klopp zum BVB zu folgen. Ob das T. gefallen hätte?

Nun mag Michael Oenning fehlerfrei den Faust zitieren können, mit dem Fußball klappt das nicht so. 

Es klappt so überhaupt nicht, dass V. vergangene Woche nach einem wirklich katastrophalen Montagsspiel und viel Geschrei (seitens V.) verkündete, ab jetzt sei er kein Fußballfan mehr.

Zur allgemeinen Beruhigung: Das letzte Spiel hat er immerhin per Videotext verfolgt, gewisse Montagabende hält er sich weiter frei und den Sportteil liest er immer noch.

Um die Moral wieder etwas hochzuhalten bin ich gestern dann mit einem Club-Schal um den Hals zur Arbeit gefahren.

Ob's was bringt?

24.6.08

Der Kniestrumpf

Im Bereich der Bein- und Fußbekleidung fristete der Kniestrumpf bislang ein eher klägliches Dasein. Erwachsene Menschen hegen meist negative Erinnerung an kratzige, von Muttern verordnete Exemplare in peinlichen Farben, die ständig rutschten und - zu Rock oder kurzer Hose getragen - auch noch für alle anderen deutlich sichtbar waren.

Ich selbst erinnere mich mit Schaudern an ein Paar Kniestrümpfe aus dem Jahr 1985. Sie waren weiß und versehen mit einem elaborierten Lochmuster und als modischer Gag kräuselte sich der Strumpfsaum unterhalb des Knies in dezenten Wellen. 

Mit noch größerem Schaudern erinnere ich mich allerdings an meine Obsession für diese Dinger - ich fand sie einfach klasse und erbettelte inständig mehr Lochmuster-Kniestrümpfe. Als Verteidigung habe ich nur vorzubringen: Es waren halt die achtziger. Irgendwo habt ihr doch alle kunstvoll durchlöcherte Kniestrümpfe im Keller, ich weiß es.

Im Jahr 2008 - so dachte ich - geht es dem Kniestrumpf schlecht. Kniestrümpfe verwandeln normale Frauen in kleine Mädchen, wirken auch an modebewussten japanischen Touristinnen irgendwie affig und machen sich auch zum Wiesn-Dirndl nur an ungefähr jeder 1000. Münchnerin ganz gut.

Die einzigen, die noch Kniestrümpfe tragen, sind die Fußballer. Wobei in diesem Metier das peinliche Beinkleid gerne mit dem Euphemismus "Stutzen" versehen wird. 

Kenner der Szene wie z.B. V. werden jetzt entrüstet einwerfen, ein Stutzen sei ja wohl etwas anders als ein Kniestrumpf. Pfff.... 

Auch wenn ein Plastikdeckel drunter steckt - ein Kniestrumpf bleibt ein Kniestrumpf und steigert sich an Bastian Schweinsteigers Beinen sogar zum Thrombose-Strumpf (Schweinsteiger zieht sich seine weißen Stutzen fast bis übers Knie und weil er dazu auch noch weiße Fußballschuhe trägt, wirkt er manchmal wie auf dem Weg in den OP).

Nun ist der Kniestrumpf im Kommen. Nicht nur, dass sich die Designer der Sportartikelhersteller und Nationalmannschaftsausstatter meinen Beobachtungen zufolge immer detailverliebter den Stutzen widmen (ich erinnere nur an das liebevoll eingewebte rot-weiße Schachbrettmuster auf den Stutzen der Kroaten) - 

nein, heute morgen habe ich auch noch einen jungen Fußballfan mit Kniestrümpfen gesehen.

Ein Trend ist geboren.

Nächstes Jahr laufen wir alle rum wie Mädchen. Oder wie Bastian Schweinsteiger.

19.6.08

Wir schauen Europameisterschaft (2)

Auch wenn die Substantive "Fußball" und "Zauber" sich nicht selten in den Sätzen fachkundiger Zeitungsschreiber und Spielkommentatoren wieder finden - in den vergangenen Tagen hatte Fußball wenig mit Zauberei gemein.

Dafür wohnt jedem Tipp ein Zauber inne und wenn nicht das, dann zumindest eine inbrünstig gemurmelte Beschwörungsformel, die innerlich unablässig wiederholt wird: "3:1... 3:1... 3:1..."

Natürlich rät ein Fußballfachkundiger wie V. zu Recht: Nie das tippen, was man sich wünscht, sondern das, was auch rauskommen wird. Nur um sich dann selbstredend nicht daran zu halten.

Deshalb ist er auch nicht der Koordinator einer Tipprunde, sondern einer Beschwörungsrunde.

Mit V. haben sich dort sieben andere Gleichgesinnte zusammen getan und sind nun angetreten, den Sieg der deutschen Nationalmannschaft nicht nur heute abend herbei zu beschwören.

Das mag entfernt an Seancen aus dem 19. Jahrhundert erinnern, hat in der Realität jedoch wenig damit zu tun. 
Weder verfügen wir über ein Medium, das in der Lage ist Kontakt zu toten oder lebenden Fußballspielern oder Podolskis Wadenbein herzustellen, noch über einen gemeinsamen Treffpunkt, wo wir uns an den Händen halten, die Augen schließen und der Dinge harren können, die da kommen.

Im Jahr 2008 beschwört man Excel-Tabellen.

Ich persönlich verfolge übrigens beide Wege, den des Tippens und den des Beschwörens.

In der Beschwörungsrunde um V. beschwöre ich natürlich auch einen Sieg der Deutschen und habe sie schon im Voraus zu Europameistern erklärt.

In der Tipprunde auf der Arbeit gehe ich es zusammen mit Kollegin T. etwas mehr der Realität verbunden an. Hier geht es um viel Geld, da wird nicht beschwört. 

Kroatien wird Europameister und Deutschland muss heute abend nach Hause fahren. 

Der Tipp gegen Deutschland hat sogar Kalkül: Da sich unter den Mit-Tippern viele Beschwörer befinden, die allein schon aus Aberglaube nicht gegen Deutschland tippen würden, können wir morgen richtig Geld gewinnen. 

Ich schwör's.

9.6.08

Wir schauen Europameisterschaft (1)

Ich kann nicht anders. Sobald David Jarolims Name fällt muss ich es sagen. Nämlich: Der war mal beim Club, spielt jetzt aber für den HSV.

Worauf V. stolz in die (Männer-) Runde schaut und sagt: Der Wahnsinn, oder? Nur die Regeln hat sie nicht so drauf.

Stimmt, da muss ich passen. Das mit dem Abseits habe ich immer noch nicht kapiert, obwohl es mir T. schon während der EM 1996 mithilfe einiger Matchbox-Autos und einer Blumenvase zu erklären versucht hatte. 

Damals hat Deutschland übrigens zum letzten Mal ein EM-Spiel gewonnen, das Finale gegen Tschechien. Worauf sich prompt der Kreis schließt, denn David Jarolim ist Tscheche.

V. versucht das mit dem Erklären der Abseitsregel erst gar nicht, bemüht weder Vasen noch Spielzeugautos, findet nicht die richtigen Worte und bittet mich, ins "Fußball Unser" zu schauen, da sei es ganz gut erklärt.

Die Zeit dafür habe ich noch nicht gefunden, deshalb kann ich auch immer noch nicht sagen, ob Podolskis erstes Tor in meinen Augen nun Abseits war oder nicht.

Egal. Deutschland hat wieder mal ein EM-Spiel gewonnen, Clemens Fritz ist jetzt die schnellste Maus von Mexiko und Jens Lehmann sieht immer noch fantastisch aus.

30.5.08

V. liest Zeitung - Teil 1

Das Geheimnis einer glücklichen Ehe sei, das habe ich erst kürzlich in einer renommierten Fernsehzeitung gelesen, die Pflege von Ritualen.

V. und ich pflegen zum Beispiel das Zeitungsritual, das jedoch abhängig vom Wochentag auf zwei verschiedene Weisen vollzogen wird.

Da wären
  •  das Wochenend-Samstagmorgen-Ritual (davon an anderer Stelle mehr)
  • das Werktags-Ritual
Betrachten wir heute das Werktags-Ritual:

ca. 6:30 Uhr: Ich stehe auf, dusche, ziehe mich an, trage den Föhn in die Küche, hole die Zeitung, trage sie in die Küche, entsorge Werbung und Immobilienteil gleich im Papiermüll, fische den Sport- hinterm Wirtschaftsteil hervor, lege ihn auf den Tisch, föhne mich, lese dabei die Panorama-Seite.
(Ich kann mich in unserem neuen Bad nicht föhnen, dort gibt es keine Steckdose.)

ca. 7:15 Uhr (oder später): V. steht auf, duscht, zieht sich an, kommt in die Küche, sagt er müsse gleich weg, setzt sich hin, nimmt den Sportteil und sagt: Einen Artikel muss ich lesen, sonst kann ich nicht gehen. Theoretisch hätte er dafür in der U-Bahn mindestens 20 Minuten Zeit, aber ohne einen Artikel, z.B. über englische Kapitäne und deren echte Tränen, aus dem Haus zu gehen würde wahrscheinlich ganz mieses Karma bedeuten.

ca. 7:17 Uhr: Ich verlasse die Küche, suche Schuhe/Handy/Tasche o.ä., reiße im Schlafzimmer das Fenster auf, suche wieder irgendwas, will meine Jacke anziehen, V. sagt: Ich muss dir noch was vorlesen.

In dem Absatz, den er mir dann vorliest, geht es darum, dass Michael Ballack sich doch tatsächlich das Elfmeter-Schießen des Champions-League-Finales noch einmal angesehen hat, John Terry geweint hat und dazu steht, und der Kapitän, der "Captain" im englischen Fußball dem militärischen Rang eines solchen, nämlich des Anführers, sehr nahe steht, was wiederum mit dem Empire zu tun hat.

Ich stehe mit dem Schlüssel in der Hand in der Tür. V. strahlt und sagt:

"In einem Artikel braucht nur was über England zu stehen, das wird immer gelesen."

Ich verspreche, das für den heutigen Arbeitstag zu beherzigen.

19.5.08

Trost ist im Sauerland.

Entweder hat er es noch nicht realisiert oder er nimmt den Abstieg wirklich mit beneidenswerter Gelassenheit. 

Doch abwarten: Ob am ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison noch Argumente wie "Toll, dann ist das Club-Spiel jeden Montag das Top-Spiel im DSF" etwas gelten, ist heute noch nicht sicher.

Den unausweichlichen Abstieg in die zweite Liga nahm V. am Samstag jedenfalls wie ein Mann. Aber da waren ja auch zwölf andere Männer, die ihn mit viel Bier und Gitarrenmusik wieder auffangen konnten - und die er vorsorglich mit Club-Trikots ausgestattet hatte.

Half alles nichts. 

Trost spendete das Sauerland-Lied, das V. gestern allerdings nur noch krächzen konnte. "...Wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind." Aha.

Trost kam auch von M., der wie immer unnachahmlich formulierte:

"Liebe kennt keine Liga."

14.4.08

Ein ganz normaler, verregneter Freitagabend

15 Uhr: V. bester Laune, schlägt Abendessen vor, kauft ein und kocht fast alles selbst.

18 Uhr: Wir essen. V. spricht von "den Abend gemeinsam verbringen". Ach, das wird ja gemütlich, denke ich.

19.30 Uhr: V. entschuldigt sich, ich muss den Abend ab 21.30 Uhr alleine verbringen, denn B5 überträgt die zweite Halbzeit des Club-Spiels. Habe natürlich Verständnis, will ja auch, dass der Club gewinnt und schau dann halt einen alten Tatort.

21.25 Uhr: V. schaltet Radio ein und ist hoch erfreut: Club führt 1:0. Und das gegen die beste Mannschaft der Rückrunde, das muss hier mal gesagt sein.

21.30 Uhr: In Nürnberg regnet es nicht, es schüttet.

21.35 Uhr: In Nürnberg geht die Welt unter. Ganz normale englische Verhältnisse, sagen die Kommentatoren. "Jetzt pfeif schon an", sagt V. zum Radio. Das Radio pfeift nicht an.

21.40 Uhr: "Scheiße" brüllt V. aus der Küche und ich denke, Mist, jetzt führt Wolfsburg doch noch. Dem ist nicht so. "Verdammt noch mal, pfeif an", murrt V. in Richtung Radio. Das Radio pfeift immer noch nicht an. Der Schiri auch nicht. Kommentatoren ratlos, in England spielen sie doch auch.

21.45 Uhr: Rasen wird vom Wasser befreit, Ball hüpft über den Platz. Schaut gut aus, sagen die Kommentatoren. Schiri telefoniert mit Wetteramt.

21.55 Uhr: V. schimpft. Auf den Schiri. Auf das Wetter. Auf das Schicksal. Auf den drohenden Abstieg.

22.15 Uhr: V. sagt: "Wenn wir jetzt deswegen absteigen, dann..." Was dann passiert, sagt er nicht. Denn...

22.25 Uhr: Spielabbruch, der erste in der Bundesliga seit 32 Jahren. V. stinksauer. Geht ins Bett. 

Den Tatort kannte ich schon, der war langweilig.

8.4.08

Hoffnung ist kein Kitsch.

V: Jetzt könntest du schon mal was wieder in den Blog schreiben!

(Zu Recht hat er wie einige andere meine durch den Meyer-Rausschmiss ausgelöste Schreibblockade kritisiert. Da ich mich nun aber an Thomas von Heesen und seine schicken Anzüge am Spielfeldrand gewöhnt habe, kann es weiter gehen. Schöner Trainer, übrigens.)

Ich: Ich hab doch was reingeschrieben. Unter der Überschrift "Dreieins". (siehe unten)

V: Gefällt mir nicht. Da musst du schon "Hoffnung" schreiben.

Ich: "Hoffnung" ist doch viel zu kitschig für Fußball!

V: Im Fußball kann es nie kitschig genug sein.

7.4.08

Dreieins.

Wir unterhalten uns gerade darüber, ob Stefan Raab zur ARD gehen sollte oder nicht.
V. sagt: Dreieins.

Wir fachsimpeln, welche Filme bei keinem Kriegsfilmabend fehlen dürfen und ob "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" wirklich der ultimative Hochzeitsfilm ist.
V sagt: Dreieins.

Wir wissen nicht, ob wir fünf Minuten auf die Straßenbahn warten sollen oder ob es sich lohnt, in der Zeit bis zur nächsten Haltestelle zu laufen.
V sagt: Dreieins.

V. sagt an diesem Samstagabend natürlich noch ein bisschen mehr. Äußert sich zu Stefan Raab, gibt Kriegsfilmfachwissen zum besten und spricht sich dafür aus, nicht auf die Straßenbahn zu warten. Um dann noch zu erwähnen: Dreieins.

Und es ist wirklich wahr: Der Club hat Dreieins gegen Frankfurt gewonnen. Steht damit zwar immer noch auf einem Abstiegsplatz, aber was soll's.

Dreieins.

Spieler des Tages: Michael A. Roth (Aro)

Was ich über ihn weiß: Schon lange Präsident des Club. Sehr lange. Teppich-Spezialist. Nicht sehr beliebt.

Wie V. ihn findet: Seit Samstag sagt er: Respekt. Sauber.

Warum Spieler des Tages: Nachdem beim Spiel gegen Frankfurt drei Leuchtrakaten aus dem Fan-Block auf dem Spielfeld landeten, stellte sich Roth für den Rest des Spieles vor denselbigen.

Weitere Fakten: Normalerweise wirkt Roth wie ein überkandidelter, fränkischer Napoleon, der sich nicht zu fein ist, Schuhe mit Absätzen zu tragen. Ein Mann, mit dem der Club nicht so gut kann, aber ohne ihn eben auch nicht. Dass er sich am Samstag vor den Block schwarzer Ultras stellen würde, hätte wohl kaum ein Fan erwartet. Und Roth war ehrlich entsetzt und sauer - auf Misimovics Tor reagierte er nicht einmal mit einem Schulterzucken.


13.2.08

Sehr geehrter Herr Bader,

mit Verlaub: Aber was haben Sie sich dabei bloß gedacht? Lassen wir mal den Abstiegsplatz und das 1:1 gegen Rostock links liegen und schauen uns um, was übrig bleibt. 

Da sind die ganzen entsetzten Fans. Da sind aber auch die Frauen der entsetzten Fans. 
Da ist V. 
Da bin ich.

Klar, Herr Bader, Sie müssen sich das Gejammere ja nicht anhören.  Jedenfalls nicht live. Sie gehen halt einfach nicht mehr ans Telefon oder lassen das Internet-Forum auf der Club-Homepage schließen. Vor Ihnen sitzt kein 31-Jähriges Häuflein Elend auf dem Sofa, das wahlweise auf den "Chaotenverein" oder den "Idiotenverein" schimpft.

Lieber Herr Bader,
und dann auch noch an einem Montag! Das macht man aber nun wirklich nicht. Nicht, wenn Herr Meyer am morgen noch seine Beziehung zum Verein lobt und sich Deutschland abends auf das "Lost"-Staffelfinale konzentrieren sollte.
Stattdessen habe ich die Hälfte von "Lost" verpasst, weil V. ständig zu "Blickpunkt Sport" umschalten musste. Aber die konnten die Neuigkeit zu diesem Thema ja auch noch nicht mit Fakten füllen.

Aber vielleicht hat es sich am Sonntag schon angekündigt, als wir gefühlte 44 Folgen der bekannten Serie "24" schauten. Der mitleidlose Agent Jack Bauer ist auf der Suche nach einer Person, die angeblich wichtiges Beweismaterial bei sich hat. Im weiteren Sinne: Ein Terrorist. Der Agent legt sich mächtig ins Zeug, um diese Person zu finden, schmuggelt sich in ein Flugzeug, macht sich dreckig, tut sich weh - bis die erlösende Nachricht aus der Zentrale kommt: Die gesuchte Person ist ein deutscher Terrorist und heißt Hans Meyer.

Später stellt sich heraus, dass es eine Verwechslung war, aber da hat Jack Bauer den Herrn Meyer schon im Gepäckraum eingeschlossen.
Ein Omen?

Und, Herr Bader, wie konnten Sie es zulassen, dass V. die Nachricht von einem KSC-Fan erfährt! Können Sie sich das Trauma unzähliger Club-Fans vorstellen, die an einem Montagabend angerufen werden? Von einem KSC-Fan? Der "es" schon weiß? Der sich plötzlich als Überbringer der Hiobsbotschaft wieder findet, dabei wollte er doch eigentlich trösten.
Das war ganz schön blöd, Herr Bader. Hätte man damit nicht bis Dienstagvormittag warten können? 

Ach, Herr Bader, ich weiß schon, was sie jetzt sagen werden: Der Club-Fan ist halt zu vergesslich. Früher, also in Prä-Meyer-Zeiten, war das nämlich ganz normal, dass der Club mal ganz schnell einen Trainer los wurde. Das war bei Klaus Augenthaler so (von V. auch sehr verehrt, aber nicht so sehr), bei Wolfgang Wolf - eigentlich bei allen, oder? Nun hat sich der Verein also wieder auf die alten Muster besonnen, zum Nachteil des Herrn Meyer. 

Schade, trotzdem. 

Jetzt wird es wieder wie früher werden. Jetzt kommen wieder die mitleidige Blicke - aber vielleicht auch die billigen Tickets in der 2. Liga und Siege gegen 1860. Und dann auch wieder 1. Bundesliga. 

Aber, dass Sie es wissen, Herr Bader, die gerahmte Autogrammkarte von Hans Meyer, die lassen wir auf dem DVD-Player stehen. Jetzt erst recht.

Mit freundlichen Grüßen, natürlich auch an Herrn Roth.

24.1.08

Leidenschaft.

Um sich schon morgens um kurz nach halb acht auf eine erregte Diskussion über Oliver Kahn und Jens Lehmann einzulassen, muss man das Feuer der Pubertät in sich tragen.
Man muss ungefähr 14 sein, weiblich, Röhrenjeans und Converse-Turnschuhe tragen, lässig auf dem grünen i-pod rumdrücken und vor allem eines sein: überzeugt von der Sache, vom Titan und seinen schier übermenschlichen Fähigkeiten.

"Du hasch doch koi Ahnung", raunzt das braunhaarige Mädchen mit dem grünen i-pod ihr männliches, milchgesichtiges Gegenüber an.

Wir befinden uns mitten in einer Oli-gegen-Jens-Diskussion und es mir unbegreiflich wo in einer Münchner U-Bahn plötzlich diese schwäbische Schärfe herkommt.

Noch unbegreiflicher ist es mir, wie die Ur-Diskussion, die sich vor allem darum drehte, ob zuerst Frankreich oder Deutschland Handball-Weltmeister wurde, plötzlich beim Fußball landete. Aber morgens kann ich mich einfach noch nicht so gut konzentrieren.

Das Milchgesicht jedenfalls hat keine Chance. Er kann noch so oft sagen "Der Kahn ist ein Arsch" oder "Ich halt ja auch nicht viel von Lehmann, aber..." In dem Alter hat man halt noch nicht so viele Argumente.

Woraufhin seine Freundin eine Art Brandrede hält, die inhaltlich betrachtet auch nicht überzeugt (das Alter, die Argumente), dafür aber voll solch flammender Leidenschaft ist, von der sich Olis Verena wahrscheinlich ein großes Stück abschneiden sollte.

Ich wusste nicht, dass Oli Kahn bei 14-Jährigen noch so hoch im Kurs steht. Es ist mir unbegreiflich. Aber dem 13-Jährigen Gegenüber offensichtlich auch.

Ich überlege noch kurz, ob ich vielleicht Timo Hildebrandt noch ins Spiel bringen sollte oder ein Statement zu den englischen Fliegenfängern (Kinder, seid doch froh, dass wir sowas nicht mitmachen müssen).

Ich lasse es lieber, aber nur, um nicht morgens um kurz nach halb acht auch noch die ganze pubertäre, leidenschaftliche, schwäbische Schärfe spüren zu müssen.

"Ob Fußball oder Handball - mit dir kann ma einfach über nix rede", sagt sie, angekommen am Hauptbahnhof.

Noch eine Woche.

17.1.08

Fußball spielen

Ich wil gerade eine neue Rolle Klopapier holen, als V. ruft: "Schau mal, was der Kicker über mich schreibt!"

So so. Der Herr ist also im "Kicker". Wie konnte das passieren.
Eine Minute später lese ich selbst: "V. ist der erfolgreichste Trainer dieser Bundesligasaison und hat den 1. FC Nürnberg in ungeahnte Höhen geführt. Mit zehn Punkten Vorsprung ist den Nürnbergern die Meisterschaft kaum noch zu nehmen." Sauber.

Auch wenn das im ersten Moment anzunehmen wäre: Wir befinden uns nicht in einem Paralleluniversum, sondern lediglich im Computer-Spiel "Fußballmanager 08". So weit ich das überblicke (und ich überblicke hier nicht viel) kann man da seinen eigenen Verein trainieren und eben Fußball spielen im Sinne eines So-tun-als-ob. Und auf der CD-Hülle ist Hans Meyer drauf, grimmig und entschlossen zur Seite schauend.

Während sich V. von der Presse feiern lässt, bereitet sich der Club gewissenhaft auf die Rückrunde vor und hat auch schon zwei neue Spieler präsentiert:

Jan Koller, der schon recht alt ist und wahrscheinlich auch deshalb eine Legende. Und meiner Meinung nach V. auch ein bisschen ähnlich sieht.

Und Jacques Abardonado. Französischer Innenverteidiger.

Dazu V. (ein erklärter Nicht-Freund des französischen Akzents): Der spricht fast akzentfrei, das ist gut. Aber die Mutter ist ja auch Spanierin.

Noch zwei Wochen.