27.9.06

Fast geheult

"Jetzt schmeiß ich's gleich weg", sagt V. und seine Stimme klingt beleidigt. "Wenn du es nicht lesen willst, schmeiß ich's weg."
Vor zwei Tagen hat er mir auf dem Küchentisch den Sportteil der Süddeutschen Zeitung hinterlassen. Mit einem großen - V. sagt "wunderschönen" - Artikel über den Club. Dazu hat er auf einen Zettel geschrieben, er hätte bei der Lektüre fast geheult.
Wir erinnern uns, erst am 2. Spieltag hatte sich V. zum wiederholten Mal über die desaströse Club-Berichterstattung der SZ beschwert, die sich in seinen Augen seit Jahren bemüht, den Club mit 50-Zeilen-Einspaltern zu ignorieren. Wir erinnern uns an den 1. Spieltag: Da hat der Club gegen Stuttgart gewonnen - und welchem Verein widmete die SZ eine halbe Seite? Stuttgart natürlich.
Ich kann also verstehen, dass V. völlig aus dem Häuschen ist. Wer sich immer plagt und schindet, der will auch mal gelobt werden. Wie Bruce Willis in "Stirb langsam". Quält und schindet sich zwei Stunden lang, kriegt das Unterhemd dreckig gemacht und immer eins auf die Nase, immer feste druff, und wenn er dann am Ende die Welt gerettet hat, klopft ihm nicht mal einer auf die Schulter.
Ich weiß, der Vergleich hinkt so, der stolpert schon. Aber das ist Fußball, da kann auch mal was hinken. Sonst hätten Fußball-Kommentatoren schon lange nichts mehr zu sagen.
Es war also ein sehr schöner Artikel in der SZ, heute habe ich ihn endlich gelesen, bevor er aus Trotz im Papierkorb landete.
Wobei ich, Kennerin die ich bin, ja fand, dass der Club plötzlich für etwas gelobt wird, das vor einem halben Jahr noch schlecht war: 90 Minuten lang super spielen und dann doch noch ein Tor kassieren. Plötzlich ist das gar nicht schlimm.
Weil es jetzt ganz anders ist, sagt V.
Habe ich nicht verstanden.

25.9.06

5. Spieltag: Größenwahnsinn

Wir können wieder alles klar machen: Es ist Sonntag, der Club spielt gegen Cottbus, ein Kinderspiel sollte das sein. Den Aufsteiger wegputzen, die Tabellenspitze zurück holen, wir sind wieder wer! Kurze Zeit später nennt V. diese Einstellung Größenwahnsinn. Wir sitzen im Auto, der Club spielt, der Club führt 1:0.
Die letzten Minuten: V. zeigt eine Nervosität, die ich fast vergessen hatte, aus anderen Spielzeiten aber auwendig kenne. Verzweifelung gräbt Falten in sein Gesicht, er ballt die Faust, wird blass. Das Spiel endet 1:1. Die Realität hat uns fast wieder. Ein Blick auf die Tabelle im Videotext rettet V.: Die anderen Vereine haben auch fast alle unentschieden gespielt. Und wir sind vierter.
Dafür gute Nachrichten von T. Dieser spielt ja noch selbst, allerdings in letzter Zeit ohne Tore zu schießen. Blöde Sache, wäre ja seine Aufgabe als Stürmer. Es ist also Sonntag, zwei Stunden, bevor der Club angreift, und wir sehen wie T. sich in der Kreisklasse schindet. Wie er rennt, am Tor vorbei schießt, gefoult wird und dabei zu laut schreit. Verzweiflung gräbt Falten in sein Gesicht. Jemand ruft, der Schiri sei ein Heini.
Wir gehen in der Halbzeitpause. Kaum sind wir weg und das Spiel wieder angepfiffen, schießt T. ein Tor, das erste nach langer Zeit, in der er sich fühlte wie Roy Makaay. Sagte er.
Spiele scheinen besser zu laufen, wenn V. nicht dabei ist. Wenn er beim Club im Stadion ist, endet das auch selten gut. Aber wir wollen jetzt nicht abergläubisch werden.

4. Spieltag: Gelassenheit

Am 4. Spieltag war V. so gelassen, dass es sich fast nicht lohnt, es hier zu erwähnen. Fast hätte man meinen können, der Club spielte schon Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, an der Tabellenspitzeder 1. Bundesliga.
Der Club rutschte auf Platz 2 der Tabelle und V. reagierte mit der Gelassenheit eines Fußball-Fans, der schon nicht mehr zählen kann, wie oft er Meister geworden ist.
Nun, lange hat diese Gelassenheit nicht gehalten.

10.9.06

Rein mit der Hutzel

Das dritte Wochenende ohne Bundesliga, dafür mit Papst und DFB-Pokal. Während sich viele fragen, warum der Papst nur Bayern besucht, will ich wissen: Wofür der DFB-Pokal? V. zweifelt an Thomas Hitzelsbergers Daseinsberechtigung im deutschen Fußball, ich möchte fragen: Worin besteht die Daseinsberechtigung des DFB-Pokals? Oh schön, es gibt noch was zu gewinnen!!! Oh schön, endlich können sich Kreisligisten wie vielleicht T. bei der SG Gabolshausen/Untereßfeld auch mal den Traum erfüllen, gegen Bayern München zu spielen? Aber was ist das für ein Traum, der wahrscheinlich mit einem 25:1 endet?
Theoretisch kann beim DFB-Pokal jeder gegen jeden ausgelost werden, praktisch kommen die Bayern immer ins Finale, so wie sie auch immer Deutscher Meister werden. (Was sich, wie wir wissen, in dieser Saison durch den aktuellen Tabellenführer dramatisch ändern kann)
Wofür also DFB-Pokal? Für Wochenenden wie diese, ohne Länderspiel, ohne Bundesliga, als Alternative zum Papstbesuch?
V. hat dieses Wochenende sehr pragmatisch gestimmt. Die Bundesliga-Euphorie verraucht, die Realität ist eingezogen. Der Club hat sich gegen den von V. als "westfälisch" bezeichneten Verein aus dem niedersächsischen Cloppenburg ein bisschen schwer getan, aber, so hat V. mir während der Sportschau erklärt, das Ergebnis zählt: "Hauptsache, die Hutzel ist drin."
Das hat er früher auch gesagt, als wir noch keine WM im eigenen Land hatten und die deutsche Nationalmannschaft mal wieder "keinen schönen Fußball" gespielt hat.
Immerhin ist der DFB-Pokal für böse Überraschungen gut: Hamburg und Bremen sind draußen. Da kann auch der Papst nicht mehr helfen, aber der ist ja in Bayern. Und nur da.

6.9.06

Nie wieder Aberglaube

Slowakei - Tschechien: 0:3.

Exkurs2: Unser Torwart spielt fast mit

Jens Lehmann hat es nicht getan. Fast hätte er das 13. Tor geschossen. Gerade hat er gesagt, dass das schon ein bisschen wie Demütigung ausgesehen hätte. Auf halben Weg ist er also wieder umgekehrt und hat Bernd Schneider den Elfmeter überlassen.
Und sonst?
V. verpasst, wie die deutsche Nationalmannschaft in Ermangelung richtiger Katakomben vor dem Stadion in San Marino auf dem Parkplatz aufs Einlaufen wartet und er verpasst auch die rührende Blaskapelle, die die Nationalhymne intoniert.
V. musste noch ein Level fertig spielen und war deshalb erst kurz nach dem Anpfiff zur Stelle.
Anfangs schimpft er noch ein bisschen rum, nennt einen San Marinesen "Dödel" und findet, dass Thorsten Frings sich besser konzentrieren könnte.
Dann haut Bela Rethy uns nur noch Zahlen um die Ohren, Weltranglistenneunter gegen Weltranglisteneinundneunzigsten. Gefühltes tausendzwölftes Länderspiel-Tor von Lukas Podolski. Klose hat Wolfgang Overath überholt. Zum letzten Mal 1940 so hoch gewonnen.
Ein Griff zur Fernbedienung bedeutet zwei verpasste Tore.
Und weiter?
V. kommentiert das Spiel, Bela Rethy plappert nach. V. zweifelt an Thomas Hitzelsbergers Existenzberichtung im deutschen Fußball, weil der in Stuttgart nicht nur auf der Bank sitzt, sondern letztens sogar auf der Tribüne. Bela Rethy sagt, dass Thomas Hitzelsberger ein armer Hund ist, weil er in Stuttgart meistens auf der Bank sitzt und letztens sogar auf der Tribüne.
Immerhin schießt Hitzelsberger ein Tor. Dazu sagt V. nichts mehr und ich schlafe ein. V. weckt mich beim Stand von 12:0 und im Halbschlaf sehe ich Jens Lehmann über den Platz joggen und schließlich wieder umkehren.
Bernd Schneider schießt das 13:0, Kerner fragt, ob das überhaupt was wert ist und ich werde ein bisschen abergläubisch und finde, dass 13:0 kein optimaler Spielstand ist.
In vier Wochen werden uns Mintal und Vittek überrollen. Fünf Tore Vittek, drei Mintal.
Das hat V. gesagt.

5.9.06

Exkurs1: Unser Torwart spielt mit


Ein vergnüglicher Fußballabend mit Becks, Chips sowie V. und T. in Nationaltrikots. Die haben sie vor dem WM zum Geburtstag gekriegt, die können sie jetzt noch auftragen. T. ist erklärter Dortmund-Fan, was V. missbilligt. V. missbilligt einfach junge Fußballfans, die irgendwann in der Grundschule Fan eines Vereins wurden, der gerade Meister war, und die dann, wenn dieser Verein mal nicht mehr so gut ist, irgendwie das Interesse daran verlieren.
T. dagegen missbilligt Fans wie V., die nie selbst in einem Verein gespielt haben. Das wiederum tut T., Kreisklasse zwar, aber hey: Meister geworden. Leider muss man auch sagen, dass sie vor nicht allzu langer Zeit 5:2 verloren haben.
T. sagt, er weiß, was Leiden heißt. V. meint, er weiß es besser.
Beim EM-Qualifikationsspiel Irland gegen Deutschland müssen sie nicht leiden, dafür langweilen sie sich ein bisschen.
"Wir sind besser", sagt T.
"Wir sind solide", sagt V. Das Spiel plätschert, irgendwann führt Deutschland 1:0. War aber kein tolles Tor.
Kurze Auszüge aus der V.-T.-Kommunikation während des Spiels:
V: Wir haben ja einen Torwart, der mitspielt!
T: Wann kommt eigentlich die schnellste Maus von Andalusien? (er meint David Odonkor)
V: Gegen die Nürnberger würden sie sich schwer tun.
T: Warum spielt hier eigentlich kein Clubberer mit?
V: Wo? Bei den Iren?
Hinterher haben wir alle ein bisschen Angst vor den Slowaken bekommen. Die haben sehr hoch gewonnen und Marek Mintal war irgendwie an 5 Toren irgendwie beteiligt. Gut für Nürnberg, schlecht für Deutschland. Die Slowakei ist in unserer EM-Qualifikationsgruppe.