Zwei Stunden danach:
V. hat einen hochroten Kopf und schwärmt T. am Telefon vor, dass alles super war. Der hat gerade 4:0 gewonnen und kann nur noch lallen: "Magnesium! Gegen den Muskelkater!" Klar, Magnesium. Haben wir natürlich da. Und ist in T.s Asbach-Cola hoffentlich auch drin. Der Stürmerstar hat nämlich auch ein Tor gemacht. Es wurde sogar gezählt.
Sechs Stunden danach:
V. tut alles weh. Der Körper, allen voran die Beine. Die Seele auch. "Fünfzehn Jahre vergeudet", seufzt er abends im Bett. "Wenn ich die letzten fünfzehn Jahre gespielt hätte, wie fit wär ich da jetzt." Na ja, aber Nationalspieler wäre er wohl trotzdem nicht. Aber vielleicht in einem Verein. So richtig. Jetzt ist es halt der Englische Garten.
Vierzehn Stunden danach:
V. konnte nicht gut schlafen, weil ihm die Beine so weh getan haben. Will sich ein Buch über Ausdauertraining kaufen. Muss unbedingt was machen.
Fünfzig Stunden danach:
Beide Schienbeine tun ihm wirklich echt weh, obwohl es nur sehr kleine Wunden sind. Sieht aber auch ein bisschen geschwollen aus. Hoffentlich ist es keine Muskelentzündung oder so, sagt V. der ewige Hypochonder.
Und dass das bis zum Wochenende wieder weg sein muss, bis zum nächsten Spiel.
Ach ja, und Club hat natürlich auch gewonnen. Und ist Zweiter.
21.4.09
V. spielt selbst (3)
Kurz vor dem Spiel:
Aufmunterungsanruf von T. Der Chancentod hat selbst gleich ein Spiel (Dritter gegen Vierter) und vergangenen Sonntag einige sichere Tore nicht gemacht. Aber er findet nette Worte für den Neufußballer.
Das Spiel:
Es sind ungefähr zehn, sie kennen sich kaum, und vom Spielfeldrand aus kann man nicht ausmachen, wer zu welcher Mannschaft gehört. Links und rechts spielen andere Hobby-Mannschaften. Eine Flasche Sekt ist zu wenig für sechs Spielerfrauen, auch wenn eine davon schwanger ist (die natürlich Limo getrunken hat). Ein Spieler trägt ein Liverpool-Trikot mit "Gerrad" auf dem Rücken. Ist aber ein altes, sagt V. Fast alle haben Fußballschuhe, die aussehen, als hätten sie die schon länger. Außer V. kenne ich noch drei Spieler, wovon zwei sehr agil sind. Also agiler, als ich dachte, und vor allem agiler als V. Der hält sich in der ersten halben Stunden sehr oft die Seite, oder lässt den Oberkörper nach unten durchhängen. Das habe ich natürlich nicht fotografiert. Sondern das:

Er schießt ein Tor. Es wird nicht gewertet, weil alle der Meinung waren, der Ball sei "zu hoch gewesen". Da es statt Toren Fahrräder und Rucksäcke gibt, muss man sowas halt schätzen.
V. freut sich trotzdem über das Tor. Er hat Seitenstechen. Die Schuhe sind super, sagt er.
Die zweite Halbzeit läuft besser und V. ist in der Siegermannschaft (7:5) und hat eine Verletzung am Schienbein.

Nächstes Mal mehr Sekt und Sonnencreme.
Aufmunterungsanruf von T. Der Chancentod hat selbst gleich ein Spiel (Dritter gegen Vierter) und vergangenen Sonntag einige sichere Tore nicht gemacht. Aber er findet nette Worte für den Neufußballer.
Das Spiel:
Es sind ungefähr zehn, sie kennen sich kaum, und vom Spielfeldrand aus kann man nicht ausmachen, wer zu welcher Mannschaft gehört. Links und rechts spielen andere Hobby-Mannschaften. Eine Flasche Sekt ist zu wenig für sechs Spielerfrauen, auch wenn eine davon schwanger ist (die natürlich Limo getrunken hat). Ein Spieler trägt ein Liverpool-Trikot mit "Gerrad" auf dem Rücken. Ist aber ein altes, sagt V. Fast alle haben Fußballschuhe, die aussehen, als hätten sie die schon länger. Außer V. kenne ich noch drei Spieler, wovon zwei sehr agil sind. Also agiler, als ich dachte, und vor allem agiler als V. Der hält sich in der ersten halben Stunden sehr oft die Seite, oder lässt den Oberkörper nach unten durchhängen. Das habe ich natürlich nicht fotografiert. Sondern das:

Er schießt ein Tor. Es wird nicht gewertet, weil alle der Meinung waren, der Ball sei "zu hoch gewesen". Da es statt Toren Fahrräder und Rucksäcke gibt, muss man sowas halt schätzen.
V. freut sich trotzdem über das Tor. Er hat Seitenstechen. Die Schuhe sind super, sagt er.
Die zweite Halbzeit läuft besser und V. ist in der Siegermannschaft (7:5) und hat eine Verletzung am Schienbein.

Nächstes Mal mehr Sekt und Sonnencreme.
V. spielt selbst (2)
Einen Tag vor Spielbeginn:
Einkaufen mit V. ist super, wenn er weiß was er will. Heute weiß er, dass er ins Sportgeschäft gehen und Kaiser 5 kaufen will. Genau das tut er und nach fünfzehn Minuten und zwei Anproben (46? 47?) wünscht ihm die entzückende, blutjunge Verkäuferin sogar noch "Viel Spaß beim Spielen". Mei, dass er das noch erleben darf, mit 33.
Auf dem Heimweg erzählt er mir, dass manche Leute in den Foren raten, sich mit den Schuhen in die Badewanne zu legen, damit sie sich optimal dem Fuß anpassen. Ich traue ihm alles zu.
Die Schuhe sind übrigens sehr schick. Sehr retro.

Zu Hause mache ich eine Waschmaschine mit allen roten Klamotten fertig. Während ich ein Nürnberg- und zwei Liverpool-Trikots aufhänge, frage ich: "Welches Trikot ziehst du denn morgen an?"
V: "Woher willst du wissen, dass ich ein Trikot anziehe? Vielleicht nehm ich auch ein T-Shirt."
Zwei Stunden vor Spielbeginn:
Ich: "Warum ziehst du nicht das Liverpool-Trikot an?"
V: "Ach, ich weiß nicht, das ist vielleicht schon ein bisschen angeberisch. Ich weiß ja nicht, was die anderen dann denken... Das Nürnberg-Trikot ist schon besser."
Genau. Fränkische Bescheidenheit demonstrieren, kommt immer gut.
Ich hole den Sekt aus dem Kühlschrank und packe ihn zu den Plastikbechern im Rucksack. Ich werde zusammen mit anderen Spielerfrauen auf das Spiel anstoßen. V. ist das nicht recht.
Eine Stunde vor Spielbeginn:
V: "Ich bin so aufgeregt. Ich bin so aufgeregt. Die spielen bestimmt alle besser als ich. Oh Gott. Ich hab ja schon so lange nicht mehr gespielt. Also eigentlich noch nie so richtig. Ich bin so aufgeregt. Hoffentlich ist da kein wirklich guter dabei. Weißt du noch, ich hab mal mit diesen Pharmazeuten gespielt, und da war ehemaliger Landesligaspieler dabei, das macht einfach keinen Spaß, ach, ich bin so aufgeregt..."
Im Radio spielen sie "Let it be".
Ich: "Ist das jetzt ein Zeichen, dass du es lieber sein lassen solltest?"
V: "Auf keinen Fall. Ich seh das positiv. Die Beatles kommen ja aus Liverpool, das wird also auf jeden Fall gut."
Weil V. körperlich fürs Radfahren nicht gemacht ist (heißt, V.s Körper fährt nicht gerne Rad), nehmen wir den Bus in den englischen Garten.
Einkaufen mit V. ist super, wenn er weiß was er will. Heute weiß er, dass er ins Sportgeschäft gehen und Kaiser 5 kaufen will. Genau das tut er und nach fünfzehn Minuten und zwei Anproben (46? 47?) wünscht ihm die entzückende, blutjunge Verkäuferin sogar noch "Viel Spaß beim Spielen". Mei, dass er das noch erleben darf, mit 33.
Auf dem Heimweg erzählt er mir, dass manche Leute in den Foren raten, sich mit den Schuhen in die Badewanne zu legen, damit sie sich optimal dem Fuß anpassen. Ich traue ihm alles zu.
Die Schuhe sind übrigens sehr schick. Sehr retro.

Zu Hause mache ich eine Waschmaschine mit allen roten Klamotten fertig. Während ich ein Nürnberg- und zwei Liverpool-Trikots aufhänge, frage ich: "Welches Trikot ziehst du denn morgen an?"
V: "Woher willst du wissen, dass ich ein Trikot anziehe? Vielleicht nehm ich auch ein T-Shirt."
Zwei Stunden vor Spielbeginn:
Ich: "Warum ziehst du nicht das Liverpool-Trikot an?"
V: "Ach, ich weiß nicht, das ist vielleicht schon ein bisschen angeberisch. Ich weiß ja nicht, was die anderen dann denken... Das Nürnberg-Trikot ist schon besser."
Genau. Fränkische Bescheidenheit demonstrieren, kommt immer gut.
Ich hole den Sekt aus dem Kühlschrank und packe ihn zu den Plastikbechern im Rucksack. Ich werde zusammen mit anderen Spielerfrauen auf das Spiel anstoßen. V. ist das nicht recht.
Eine Stunde vor Spielbeginn:
V: "Ich bin so aufgeregt. Ich bin so aufgeregt. Die spielen bestimmt alle besser als ich. Oh Gott. Ich hab ja schon so lange nicht mehr gespielt. Also eigentlich noch nie so richtig. Ich bin so aufgeregt. Hoffentlich ist da kein wirklich guter dabei. Weißt du noch, ich hab mal mit diesen Pharmazeuten gespielt, und da war ehemaliger Landesligaspieler dabei, das macht einfach keinen Spaß, ach, ich bin so aufgeregt..."
Im Radio spielen sie "Let it be".
Ich: "Ist das jetzt ein Zeichen, dass du es lieber sein lassen solltest?"
V: "Auf keinen Fall. Ich seh das positiv. Die Beatles kommen ja aus Liverpool, das wird also auf jeden Fall gut."
Weil V. körperlich fürs Radfahren nicht gemacht ist (heißt, V.s Körper fährt nicht gerne Rad), nehmen wir den Bus in den englischen Garten.
19.4.09
V. spielt selbst (1)
Vor vier Monaten:
Auf einer Party kurz vor Weihnachten stehen Männer Ende zwanzig, Anfang dreißig herum. Sie trinken Bier, sie reden über Fußball im Allgemeinen, über bestimmte Vereine im Besonderen. Ein Mainzer ist dabei, ein Köln-Fan, einige andere und natürlich V. Die anwesenden Frauen beobachten die Männergruppe amüsiert, stoßen mit Baileys an und reden über Kindererziehung.
Plötzlich sind die Männer ganz aufgeregt, sie rufen wild durcheinander, die Frauen hören nur verzerrte Laute, die sich anhören wie "Ja, das machen wir!" oder "Davon hab ich schon immer geträumt!" und "Wir fangen spätestens im Februar an!" Die Männer stoßen mit Bier an, sie umarmen sich, ihre Gesichter strahlen wie die kleiner Jungs an Weihnachten und die Frauen sind ein bisschen neidisch. Auf den Moment der vorbehaltlosen Zusammenrottung, des ungeniert geteilten Glücks miteinander warten sie noch. "Wollen wir nicht mal zusammen ins Kino gehen?", fragt eine, während die Männer beschließen, eine Hobby-Fußball-Gruppe zu gründen. Wenn es schon nie für den Vereinsplatz daheim gereicht hat, im Englischen Garten spielen können sie alle mal.
V. sagt, dass er sehr glücklich ist und Fußballschuhe kaufen muss.
Vor ungefähr zwei Monaten:
Der Spielbeginn wird erst einmal verschoben, im Februar ist es einfach noch zu kalt.
Vor zwei Wochen:
V. berät sich ausführlich mit T. Dieser - Stürmerstar, Schwalbenkönig, Chancentod - thematisiert natürlich erst einmal die Ausrüstung. "Du kannst klar billige Fußballschuhe kaufen, so für dreißig, vierzig Euro" - V. verzieht das Gesicht, er ist ein überzeugter Markenjunkie - "aber du willst bestimmt die Adidas Kaiser 5. Das sind super Schuhe." Ende der Werbesendung. V. macht sich im Internet noch ein bisschen schlau - es gibt Foren zu Fußballschuhen, wen wundert's noch - und ist natürlich überzeugt. Nur ob der Name "Kaiser" auf Franz Beckenbauer zurück geht, kann er mir nicht sagen.
Auf einer Party kurz vor Weihnachten stehen Männer Ende zwanzig, Anfang dreißig herum. Sie trinken Bier, sie reden über Fußball im Allgemeinen, über bestimmte Vereine im Besonderen. Ein Mainzer ist dabei, ein Köln-Fan, einige andere und natürlich V. Die anwesenden Frauen beobachten die Männergruppe amüsiert, stoßen mit Baileys an und reden über Kindererziehung.
Plötzlich sind die Männer ganz aufgeregt, sie rufen wild durcheinander, die Frauen hören nur verzerrte Laute, die sich anhören wie "Ja, das machen wir!" oder "Davon hab ich schon immer geträumt!" und "Wir fangen spätestens im Februar an!" Die Männer stoßen mit Bier an, sie umarmen sich, ihre Gesichter strahlen wie die kleiner Jungs an Weihnachten und die Frauen sind ein bisschen neidisch. Auf den Moment der vorbehaltlosen Zusammenrottung, des ungeniert geteilten Glücks miteinander warten sie noch. "Wollen wir nicht mal zusammen ins Kino gehen?", fragt eine, während die Männer beschließen, eine Hobby-Fußball-Gruppe zu gründen. Wenn es schon nie für den Vereinsplatz daheim gereicht hat, im Englischen Garten spielen können sie alle mal.
V. sagt, dass er sehr glücklich ist und Fußballschuhe kaufen muss.
Vor ungefähr zwei Monaten:
Der Spielbeginn wird erst einmal verschoben, im Februar ist es einfach noch zu kalt.
Vor zwei Wochen:
V. berät sich ausführlich mit T. Dieser - Stürmerstar, Schwalbenkönig, Chancentod - thematisiert natürlich erst einmal die Ausrüstung. "Du kannst klar billige Fußballschuhe kaufen, so für dreißig, vierzig Euro" - V. verzieht das Gesicht, er ist ein überzeugter Markenjunkie - "aber du willst bestimmt die Adidas Kaiser 5. Das sind super Schuhe." Ende der Werbesendung. V. macht sich im Internet noch ein bisschen schlau - es gibt Foren zu Fußballschuhen, wen wundert's noch - und ist natürlich überzeugt. Nur ob der Name "Kaiser" auf Franz Beckenbauer zurück geht, kann er mir nicht sagen.
18.4.09
Romantik.
In der Samstags-Seite-3-Reportage sagt Rosamunde Pilcher heute, dass Leidenschaft keine gute Basis für eine Ehe sei. Respekt und Pragmatismus - mit diesen Grundsätzen könne man gemeinsam alt werden und mit diesen Grundsätzen war Mrs Pilcher auch 62 Jahre verheiratet.
Nachdem ich diese Zeilen gelesen habe, lausche ich pragmatisch V.s Lesung aus dem heutigen Sportteil über die Jugendförderung des FC Bayern, warum dessen Talente jetzt alle woanders spielen und warum Misomovic unter 80 Kilo bleiben sollte.
"Ach", seufze ich in einem Anfall von leidenschaftlichem Pragmatismus. "Ich freu mich schon drauf, mit dir alt zu werden."
V. überlegt kurz.
"Oh ja", sagt er. "Dann haben wir ein Haus und schauen den ganzen Tag englische Liga!"
Im Übrigen kann der Club morgen Zweiter werden. Also Daumendrücken.
14.4.09
Sicher ins Stadion
Nach dem Spiel gegen Rot-Weiß Oberhausen und vier Siegen in Folge war es dann soweit. Nach langer Zeit versagten bei V. einige wichtige aufstiegssichernde Gehirnwindungen den Dienst.
Der Rasen in Oberhausen war noch nass, da strahlte er mich an und sagte:
"Jetzt kannst du wirklich mal wieder mit ins Stadion!"
Nein. Kann ich nicht. Einen Trainer kann man bei Misserfolg feuern (siehe Holger Fach, Augsburg, vergangenes Wochenende bzw. Jürgen Klinsmann, München, bald) - aber mich? Droht die Scheidung, wenn ich dem Club den Aufstieg versaue? Da bleibe ich dem Stadion der leichten Kredite lieber fern.
Am Samstag erzählte ich T., Stürmerstar und Schwalbenkönig, von V.s Vorschlag mit dem Stadionbesuch. Er legte besorgt die Stürmerstirn in Falten.
"Er riskiert schon wieder zu viel", sagte T. nur.
Der Rasen in Oberhausen war noch nass, da strahlte er mich an und sagte:
"Jetzt kannst du wirklich mal wieder mit ins Stadion!"
Nein. Kann ich nicht. Einen Trainer kann man bei Misserfolg feuern (siehe Holger Fach, Augsburg, vergangenes Wochenende bzw. Jürgen Klinsmann, München, bald) - aber mich? Droht die Scheidung, wenn ich dem Club den Aufstieg versaue? Da bleibe ich dem Stadion der leichten Kredite lieber fern.
Am Samstag erzählte ich T., Stürmerstar und Schwalbenkönig, von V.s Vorschlag mit dem Stadionbesuch. Er legte besorgt die Stürmerstirn in Falten.
"Er riskiert schon wieder zu viel", sagte T. nur.
29.3.09
Urlaub, Tag 2.
Mein Highlight: Abendessen auf einer Terrasse am Meer, Atlantikrauschen, Möwenkreischen, Sonnenuntergang. Pescado fresco, vino tinto, romantico.
V.s Highlight: Satelitenfernsehen im Ferienhaus, DSF auf Programmplatz 166. Die Begegnung Freiburg - Club ab Minute 52. Das 1:0 von Dario Vidosic.
Wir beide sind: entspannt.
13.3.09
V. liest Zeitung - Teil 2
Am Wochenende liest V. nicht nur sehr ausführlich den Sportteil - er liest ihn auch vor. Mir.
Das wäre kein Problem, wenn ich sehbehindert, Analphabetin oder interessiert wäre. Nur trifft keines dieser Attribute auf mich zu.
Nicht an einem Samstagmorgen. Nicht einmal, wenn ich eine sehr lange Seite-3-Reportage über den neuen Wirtschaftsminister lese.
Der Samstagmorgen läuft im ungefähren so ab (wenn wir nicht gerade um 7 Uhr morgens mit dem Bus in den Bayerischen Wald fahren): Aufstehen, Kaffee kochen, Zeitung vor der Tür holen, Wasser für Eier heiß machen, Geschirr in Esszimmer tragen, Essen ins Esszimmer tragen usw.
Hinsetzen, Zeitung aufklappen, Sportteil für den Angetrauten herausfischen.
Dann ich: Erste Seite kurz überfliegen, Panorama-Teil ein bisschen lesen, Zeitung aufblättern, Seite 3 lesen. Dazu: schweigen.
Dann V.: Sportteil entfalten, Aufmacher taxieren, schweigen. Dann: Kann ich dir kurz was vorlesen?
Ich (stecke gerade im zweiten Absatz): Nein. Ich lese auch.
V.: Ja, aber du bist ja erst am Anfang. Macht ja nix. Also, Uli Hoeneß hat nämlich gesagt...
Ich: Will ich nicht wissen. Interessiert mich nicht. Ich lese selbst.
V.: Ja, aber das ist jetzt wirklich wichtig. Das muss ich dir vorlesen.
Ich: Musst du nicht.
V.: Es ist wirklich lustig.
Ich: Ist es nicht, ist es nie. Es ist ein aus dem Zusammenhang gerissener Satz über Uli Hoeneß, den du irgendwie lustig findest. Den will ich nicht hören, ich will nicht darüber lesen, ich will jetzt die Reportage über den Guttenberg lesen.
(Beleidigte Stille, ca. 4 Minuten.)
V.: Das mit den Karlsruher Ultras musst du jetzt aber wirklich wissen.
Ich: Nein. Muss ich nicht. Du musst ja auch nicht wissen, was der Guttenberg gestern zur Merkel gesagt hat. Ich les dir das ja auch nicht vor.
V.: Weil es ja auch nicht relevant ist. Also, die Ultras...
(Es folgt eine längere Ausführung zum Thema, während ich gleichzeitig versuche, den Artikel fertig zu lesen, ohne mit von V. ablenken zu lassen)
Irgendwann hat V. dann den Sportteil durch und nimmt den Feuilleton. Daraus liest er übrigens nie vor. Was nicht fürs Feuilleton spricht.
Frust. Bier. Bratwürste.
V. sagt, er sei unzufrieden. Warum?, frage ich.
Hm, nee, weiß nich, is auch egal, nich so schlimm, grummelt er.
Stimmt alles nicht: Er weiß es sehr wohl, es ist nicht egal, und ist definitiv schlimmer als "nicht so schlimm".
Es liegt natürlich am Club, genauer gesagt, an den letzten beiden Spieltagen.
Vor zwei Wochen war er extra nach Nürnberg gefahren, den Kollegen und Mainz-Fan D. auf dem Beifahrer-Sitz, um drei Abseitstore und ein Null-null zu sehen.
Bei seiner Rückkehr, gegen Mitternacht, war er mittelschlecht gelaunt und antwortete auf die Doppelfrage "Wie viele waren im Stadion und wie war's?" mit "30.000, zwei Bratwürste und ein Bier."
Eine Stunde und zwei Mai-Tai später platzte es plötzlich aus ihm heraus: "Jetzt kommt der Frust. Oh wie scheiße. Drei Abseitstore. Davon zwei für den Club. So ein Mist."
Der Abend war gelaufen.
Vor einer Woche musste ich mich wegen eigener Unzufriedenheit einen Abend lang betrinken und kam erst nach Hause, als V. schon im Bett lag, die Decke über beide Ohren gezogen, die harte Realität des Zwei-zwei aussperrend. Wobei ich nichts vom Zwei-zwei wusste und in leicht angetrunkener Naivität mit Zuspruch und Romantik rechnete.
Dazu V.: Hallo. Hab nur die letzten zehn Minuten gesehen. Stand Zwei-eins für den Club, als ich eingeschaltet hab. Und dann machen die Duisburger noch das Zwei-zwei. Oh wie scheiße. So ein Mist.
Der Abend war dann auch gelaufen.
10.2.09
Montagsspiel
Manchmal muss man sich entscheiden, zwischen Fußball und Frau. Aber das ist nicht schlimm. Warum?
Frau: (Kommt nach einem 12-Stunden-Tag verfroren und ausgehungert nach Hause, lässt sich schwer in den Sessel fallen und möchte gerade nach einer Wärmflasche und einer Fußmassage verlangen als...)
Mann (angespannter Blick in Richtung Fernseher): Essen ist in der Küche, kannst's dir aufwärmen.
Frau (folgt seinem Blick): Ach so, 83. Minute. (schaut kurz weg, schaut wieder hin) 3 zu 0??? Für den Club???
Hinterher sagt Marek Mintal übrigens wieder, was er immer sagt: "Ist gut für Mannschaft, ist gut für Club." Wer will da noch Essen aufwärmen, wenn wir daheim gegen Kaiserslautern gewinnen.
Es gibt ein Leben nach dem Club
Ein Samstagabend im Februar. Sportschau. Stuttgart gegen Leverkusen.
Mario Gomez schießt ein Tor. V. und ich sind perplex.
Mario Gomez schießt noch ein Tor. V. und ich sind sehr perplex.
Kurz vor Schluss wird Angelos Charisteas eingewechselt. Am letzten Transfertag war er noch schnell zu Leverkusen gezogen, nachdem er beim Club nicht wirklich wusste, wo er mit dem Ball hin sollte.
V: Wirst sehen, gleich macht er ein Tor.
90. Minute. Charisteas nimmt dem Ball, überlegt kurz, was er damit soll, folgt einer schnellen Eingebung und schießt ihn ins Tor.
Leverkusen verlor trotzdem.
2.2.09
Was Wagner und Bukowski mit der Rückrunde zu tun haben
Es gibt Menschen, die hören Musik über sehr große Kopfhörer. Sie sind meist mittleren Alters, tragen schwarze Rollkragenpullis, und sind, wie ihre Einrichtung und vor allem die weißlackierten Bücherregale vermuten lassen, sehr kunstinteressiert (Schallplatten, Holzgeschnitztes aus Afrika etc.) und belesen (beim männlichen Vertreter dieser Spezies: natürlich viel Bukowski).
Sehr belesene Menschen besitzen grundsätzlich weißlackierte Bücherregale. Manchmal habe ich den Eindruck, der Kauf eines herkömmlichen Billy-Modells in weiß adelt einen schon zum Intellektuellen.
Unser Billy ist Birke-Furnier, Bukowski steht keiner drin, wird auch nie.
Diese Menschen in den schwarzen Rollkragenpullis vor den weißlackierten Billyregalen hören meist Wagner-Opern oder sehr, sehr abgefahrenen Free-Jazz über ihre überdimensionierten Kopfhörer.
Häufig haben sie dabei die Augen geschlossen, den Kopf leicht in den Nacken gelegt und den Mund zu einem dünnen, konzentrierten Strich verzogen.
Genauso sah V. am Freitagabend aus und ich hätte ihm im Schlussverkauf fast noch einen schwarzen Rollkragenpulli gekauft und unseren Billy umlackiert.
Bis V. plötzlich und schmerzverzerrt die Mundwinkel nach unten verzog und ein wütendes "Pfosten!" hervor stieß.
War halt doch keine Wagner-Oper, sondern Augsburg gegen Nürnberg zum Rückrundenauftakt. Übers Internetradio.
15.12.08
Die anderen spielen auch nicht schlecht
In der Nacht von Samstag auf Sonntag erwäge ich das Engagement eines Mentaltrainers. Für V. - der wälzt sich nämlich schlaflos neben mir, so sehr regt ihn die Begegnung 1860 gegen FCN zwölf Stunden vorher schon auf. Noch beim Frühstück beschließe ich, dass das mit dem Mentaltrainer keine schlechte Idee ist. Der könnte V. vor unserem nächsten Stadionbesuch bestimmt beruhigend zur Seite stehen.
Vielleicht kann ich ihm das auch zum Geburtstag schenken.
V. hat auf andere Weise vorgesorgt: Nämlich mit Thermo-Unterwäsche, neuer Mütze und Handschuhen. Der Sonntagnachmittag verspricht ein besonders kalter zu werden. Über mein eigenes Befinden mache ich mir zu diesem Zeitpunkt kaum Gedanken.
Wir sind schon längst in der Allianz Arena angekommen, da spüre ich erst, welcher Druck auf mir lastet. Ich sehe in die entsetzten Augen von H. und A., als ich ihnen erzähle, dass der Club bislang in meiner Gegenwart immer nur verloren hat. Und dafür sind sie über drei Stunden mit dem Zug angereist. Um sich von mir den Sonntag verderben lassen.
Schon vor dem Anpfiff habe ich ein schlechtes Gewissen.
Das 1:0 für den Club beruhigt mich, die Halbzeit nicht mitgerechnet, keine Viertelstunden, die 60er legen ja gleich nach. Ich ärgere mich. Rutsche unruhig auf meinem Sitz hin und her. Verziehe den Mund zu einem konzentrierten Strich. V. lacht sich kaputt. Die anderen spielen ja auch nicht schlecht, sagt er. Das klang vor dem Spiel aber noch anders.
Nach 90 Minuten und einem Unentschieden bin ich immerhin dankbar, dass der Club diesmal zumindest nicht verloren hat. Vielleicht klappt's ja nächstes Mal. Bis dahin bin ich ernsthaft auf der Suche nach einem Mentaltrainer.
Nein, nein, doch nicht für V. Ich dachte da eher an mich.
10.12.08
Der Jahrestag
Händchen halten wir nicht. "Jetzt nicht", sagt V. "Das ist gerade viel zu spannend."
Romantisch ist es trotzdem. Es ist Montag und unser elfter Jahrestag und irgendwie schon schön, dass der 8. Dezember vor elf Jahren auch ein Montag war und für den Club ein Zweit-Liga-Spieltag.
"Wie geht's?" frage ich in der 23. Spielminute. "Ein 2:0 ist noch nicht gut", orakelt V.
Beim 3.0 vergesse ich dann, mich zu freuen, weil ich's erst nicht kapiere, beim 4:0 holt V. gerade das Nutella-Glas aus der Küche und kann sich nur über die Zeitlupe freuen.
Aber dann sind wir plötzlich sehr beseelt von diesem Jahrestag, über den Marek Mintal nur sagt: "Ist gut für Mannschaft, ist gut für Club." Jawoll. Und Blumen hab ich auch bekommen.
8.12.08
Immobilien
"Und in zehn Jahren kaufen wir uns dann zwei nebeneinander liegende Doppelhaushälften", sagt A.
Vor meinem inneren Auge sehe ich eine kitschig-bürgerliche Idylle, in der A. und ich, jede mit einem Glas Rotwein in der Hand, auf einer Hollywood-Schaukel liegen, um uns herum springt eine Schar hübscher, hochintelligenter Kinder, am Grill stehen V. und D. vor mehreren Lappen Fleisch, während im Haus der neue Super-Receiver alle Bundesliga-Begegnungen des Tages gleichzeitig aufzeichnet.
V.s Vision sieht ähnlich aus, aber er hat noch einen Einwand.
"Dann müssen wir uns einigen, welche Fahne im Garten hängt, Club oder Mainz."
Daran hatte ich natürlich nicht gedacht.
"Obwohl", sagt V. "Ist ja beides rot-weiß, passt schon."
Idylle, wir kommen.
5.12.08
Empfang (3)
Der Receiver ist da. Er hat mindestens 1000 Programme, sprach anfangs nur Tschechisch und verfügt über keinen wie auch immer gearteten Schlitz für Bezahlfernsehen.
V. im Rausch. DSF, Eurosport, Canal Futbol und und und.
Da unterbreche ich nur ungern. "Wir haben am Montag ja Jahrestag", sage ich.
V. antwortet, wie ich es von ihm erwarte: "WAS?! Am MONTAG?! Nein, bitte tu mir das nicht an, nicht am MONTAG! Ich hab schon den Mittwoch für dich geopfert."
Am Mittwoch, während andere Männer versuchen die Champions League zu gewinnen, schleift mich V. beim Samba übers Parkett.
Seine Stimme bekommt einen flehentlichen Unterton: "Am Montag ist doch das Spiel gegen Rostock! Das wird übertragen! Und jetzt haben wir doch DSF!"
Immerhin hat er schon einmal ein Montags-Club-Spiel für mich sausen lassen. Vor elf Jahren. Das kann ich ihm nicht schon wieder antun.
1.12.08
Verhört
"Ach, und hab ich einen wirklich tollen Artikel im Stern gelesen", rufe ich V. zu, der im Schlafzimmer an der Bügelwäsche verzweifelt, während ich mir in der Küche noch ein Salami-Brot schmiere.
"Über Jürgen Klopp."
Na ja, ich rufe das weniger, als das ich es am Salami-Brot vorbeimüffele, deshalb kommt etwas raus das eher klingt wie "... .... Kl...bb."
Plötzlich schießt V. um die Ecke. "Was?! Wo?! Wie lange?! Hast du's dabei? Kann ich's lesen?"
Ich gucke ein bisschen verständnislos, schlucke das Salami-Brot hinunter, um mich wieder einwandfrei artikulieren zu können und sage: "Seit wann bist du so interessiert an Jürgen Klopp?"
Verständnislosigkeit bei V. "Klopp? Ich dachte, ich Stern steht was über den Club!"
Er schlurft zurück ins Schlafzimmer und murmelt noch eine Zeitlang kopfschüttelnd "Klopp, Klopp, als ob mich der interessieren würde" vor sich hin.
26.11.08
Empfang (2)
Die Handwerker sind fertig, die Anschlüsse gelegt, jetzt brauchen wir noch einen Receiver. Über die Vermieterin kann man wohl einen bestellen. Wollten wir eigentlich auch so machen.
Dachte ich.
Bis V. sagt: Wir sollten darauf achten, dass der neue Receiver auch einen Slot für eine Pay-TV-Karte hat.
Ich: ?
V: Falls man mal Premiere haben möchte.
Ich: Aber warum sollte man denn Premiere wollen?
V: Man könnte dann zum Beispiel D. einladen und ein bisschen Bundesliga-Konferenz schauen.
Ich: Ich glaube nicht, dass man das möchte. Dann geht man ja gar nicht mehr aus dem Haus. Bundesliga kann man doch auch nebenan in der Kneipe schauen.
V: Aber die zeigen doch nur Bayern-Spiele!!!
Es entspinnt sich ein kleiner Streit darüber, ob man jetzt wirklich Premiere braucht. Halbherzig lasse ich mich davon überzeugen, dass es sich dabei nicht um ein richtiges, kostenspieliges Abo handeln würde, sondern eher um das Abonnement einzelner Spiele. Man hat das natürlich alles längst im Internet recherchiert.
Ok. Dann macht man das halt. Fehler. Denn ab dieser Stelle denkt man gleich weiter.
V: Natürlich wäre dann ein Receiver mit Festplatte noch viel besser.
Ich: Warum?
V: Dann kann mann aufnehmen, was man schauen möchte und es dann ohne Werbung schauen.
Ich: Aber so viel Fernsehen schauen wir doch gar nicht.
V: Praktisch wäre es auch, wenn ein Kind da wäre. Angenommen, das schläft um 20.15 Uhr noch nicht - so ist es zum Beispiel bei D. - um 20.45 Uhr aber schon. Verpasst man immer den Anfang von einem guten Film. Kann man mit dem Receiver aufnehmen und einfach ab 20.45 Uhr gucken. Kostet halt 300 Euro.
Ich: Aber wir haben doch gar kein Kind!
25.11.08
Empfang (1)
Montagmorgen, 7.30 Uhr, es klingelt an der Tür.
Davor stehen zwei Handwerker. Der eine hat eine Glatze, der andere trägt ein bayerisches Trachtenmützerl und spricht mit polnischem Akzent.
Sie installieren gerade eine Satellitenanlage im Haus, dafür müssen sie in jeder Wohnung Löcher bohren und Kabel verlegen. V. führt durch unsere Wohnung, rückt Möbel zur Seite, zeigt Anschlüsse, fachsimpelt. Bejaht die Frage, ob wir einen Receiver brauchen. Händigt den Handwerkern einen Schlüssel aus.
Die bedanken sich und setzen ihre Runde bei unseren Nachbarn fort.
V. schließt die Tür hinter ihnen mit einem breiten Grinsen.
"Ist das nicht wunderbar?"
Ich bin kurz verwirrt. Was ist denn so wunderbar an einer Satellitenanlage? Der DVBT-Receiver hat's die ganze Zeit doch auch getan.
"DSF!!" ruft V. "Die Montagsspiele live!!! Wahnsinn!"
Wie reagiert die vorbildliche Ehefrau?
Sie zaubert ein warmes Lächeln auf ihr Gesicht und sagt:
Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist.
6.11.08
Leidenschaft
Plötzlich drückt er mir einen Kuss auf die Lippen und ich denke noch, sind sie nicht schön, diese überraschenden Liebesbeweise aus dem Nichts, einfach so, ist das nicht schön verheiratet zu sein, alles richtig gemacht mit diesem Mann...
...da sagt V: Wir führen Eins-Null!
Und ist schon wieder weg.
Abonnieren
Posts (Atom)