1.4.10

Urlaubs-Impressionen: Barcelona

Unser Besuch beim FC Barcelona steht schon deshalb von Anfang an unter keinem guten Stern, weil wir den Namen des Stadions "Camp Nou" nicht korrekt aussprechen.

Wir könnten natürlich, wenn wir wollten. Hat man uns von allen Seiten eingetrichtert. "Camp Nau" sagt man, nicht "Nu". Weil wir aber bis zur ersten Korrektur schon gefühlte 1000 Mal CampNuCampNuCampNu gesagt hatten, geht es jetzt auch nicht mehr weg.

Und prompt finden wir nicht hin.

Ich hab sowieso keine Lust. Das Wetter ist schlecht, es sieht nach Regen aus, ich hab keine Lust zu laufen, ich bin müde, ich hab Hunger, ich habe kein Interesse an einer Stadionführung.
Der V. schon. Aber nicht lange.

Auf dem Stadtplan sieht alles so einfach aus, mit der U-Bahn zur Haltestelle "Maria Cristina" fahren, aussteigen, Stadion, fertig.

Wir steigen aus der Bahn, V. geht dynamisch vorneweg, ich schlurfe unmotiviert hinterher. Wo müssen wir jetzt hin? Keine Ahnung. Ist mir wurscht. Will sitzen. Will Cafe con Leche.
V. will ins Stadion und nicht von mir genervt sein. Gelingt ihm beides nicht.

Da nirgendwo "HALLO DEUTSCHE TOURISTEN HIER GEHT ES ZUM STADION" steht, nehmen wir den Ausgang "Arenas". Weil, sagt V., ist doch logisch, "Arenas" meint Arena. Leiten wir mal schnell ab von "Allianz Arena", die ja in München auch noch der letzte Fußballbanause findet.

In Camp Nou möchte man das wohl nicht, weshalb V. und ich, mit jedem Meter schlechter gelaunt, ungefähr eine halbe Stunde in die falsche Richtung gehen. Wenn wir nebeneinander laufen, blaffen wir uns an, ansonsten halten wir einen Abstand von mindestens einem Meter. Schließlich kehren wir zum Ausgangspunkt U-Bahn-Haltestelle zurück und V. fragt an einem Zeitungskiosk wo es zum Stadion geht. Ach ja, nur die Straße runter und dann links. Dankeschön.

Wir muffeln als die letzten Meter bis zu Camp Nou, das ein hässlicher Betonklotz ist und 17 Euro Eintritt kostet. Davor herrscht eine Atmosphäre wie im Zoo. Nach fünf Minuten im "Mega Store" kommt V. noch muffeliger wieder heraus und wir treten den Rückzug an.



9.3.10

25. Spieltag. Leverkusen.

Man kann auf vieles neidisch sein, aber nicht auf eine Fußfehlstellung.

Doch. Der V. kann. Und bevor ihn der Neid zerfrisst, wird er auch eine Fußfehlstellung haben. Weil er den Gedanken nicht ertragen wird, dass ich beim gleichen Einlagen-Papst war wie Michael Ballack.

Aber von vorne: Seit Monaten tut mir der rechte Fuß weh. Er tut nicht nur weh, er ist neuerdings auch verformt, der Ballen strebt nach außen, manchmal ist er rot. "Hallux Valgus" sagte das Internet. Ich erinnerte mich, dass mein Opa das auch hatte, sehr stark sogar, die Schuhe beulten schon richtig aus. Ich erinnerte mich auch, dass meine Mutter und T. immer lachten, wenn sie im Sommer meine Füße sahen. "Haha, Opa-Füße." 

Der Fuß konnte so nicht bleiben. Das Internet sagte: Operieren. 

Ich machte einen Termin beim Orthopäden, prompt tat der Fuß nicht mehr weh. 
Schließlich saß ich vor einem Mann, der abwechselnd mich und meinen Fuß so verständnislos ansah, als wäre ich wegen Zahnschmerzen gekommen.

Der Arzt sagte: Das ist vielleicht ein Fuß-Problem, aber ein popeliges. Aber meinetwegen können Sie Einlagen haben, ich schicke Sie zum Einlagen-Papst, kostet 160 Euro inklusive Gang-Analyse.

So ein Quatsch, dachte ich. 

Gestern saß ich beim Einlagen-Papst. Der Raum war voll mit technischem Schnickschnack, Computer, Laufband, Analyse-Brett, Messgerät. Die Wände waren gepflastert mit Fußball-Trikots, Autogramm-Karten, Poster von Biathleten, Bobfahrern und Eisläufern.

Der Einlagen-Papst hatte einen festen Händedruck, einen charmanten badischen Akzent und nannte meinen Fuß im Computer "Hallux Opa". Leider fand er unangenehme Sachen heraus: Ich belaste meinen Fuß an Stellen, die dafür nicht vorgesehen sind. Ich habe X-Beine. Ich habe ein schiefes Becken. Ich war entsetzt.

Schließlich wurde mein Fuß vermessen. "Hier hinsetzen, Füße aufstellen, Blickrichtung Liverpool." Vor mir hing ein Original-Liverpool-Trikot mit Unterschriften.

"Nach Liverpool schau ich gerne."
"Fußball-Fan?"
"Ja, aber eher Nürnberg."
Strahlen.
"Da sind Sie jetzt aber besonders glücklich!" Es folgte eine messerscharfe Analyse vom Einlagen-Papst, warum Nürnberg "da unten" nicht hingehört, warum das mit "da oben" bislang nicht geklappt hat (die Abwehr steht, aber ab der Mitte wird's schwach und vorne geht halt nicht viel - besser hätte ich das auch nicht sagen können).

Es stellte sich heraus: Der Einlagen-Papst hat sie alle gesehen. Alle Füße aus Liverpool, Nürnberg, München. Ballack, Van Bommel, Kati Witt - name them, he had them.

Zum Abschluss bekomme ich eine Extra-Führung, denn es gibt mehrere Räume mit Fußballtrikots. Im Analyse-Raum hängen zum Beispiel nur die ausländischen Clubs, siehe Liverpool, damit sich kein einheimischer Fan beschweren kann, warum 1860 so weit unten hängt, oder so nah bei Bayern München.

"Ich warne Sie, morgen steht mein Mann hier auf der Matte."

Der Einlagen-Papst grinst. 

Heute morgen hat der V. schon sehr kritisch seine Füße betrachtet.

V. vergisst seine Frau

Zwei Tage nach dem Länderspiel beugt sich V. morgens über die Zeitung, lacht und sagt:

"Das war wirklich so wie es hier steht, weißt du. Wenn die Deutschen den Ball hatten, hat das Publikum gebuht und bei den Pässen der Argentinier gejubelt."

Ich sehe ihn für eine lange Minute an, bis ich sage:

"Ich weiß. Ich war dabei."

"Ach, Mensch, stimmt! Wie peinlich. Das hätt ich fast vergessen!"

Ist auch besser so. Vergessen wir einfach, dass ich im Stadion war. Ist mir auch lieber.

Das Messi-Syndrom

"Chef", rief ich beherzt über den Flur. "Ich muss Ihnen was gestehen."

Ich hatte erwartet, er würde erstarren, in Gedanken schnell alle verfügbaren Möglichkeiten durchgehen, was ich nun gestehen könnte, aber er sagte nur:

"Ach, Sie waren das." Es klang gequält. (Schon vor langer Zeit hatte er mir Stadionverbot erteilt.)

Ja, ich war das. Ich war im Stadion. Tut mir leid.

Es war aber auch ein quälend langer Abend gewesen, in quälender Kälte. Skiunterwäsche wärmt nicht grenzenlos, das weiß ich jetzt. An kalten Abenden in zugigen Fußballstadien stellt sie spätestens gegen Ende der ersten Halbzeit ihre Dienste ein. Ungefähr zusammen mit dem Torwart der deutschen Nationalmannschaft.

Aber von vorne. Diese Geschichte begann schon vor Weihnachten, als T. mich binnen Minuten überredete mit zum Spiel Deutschland - Argentinien zu kommen.

"Du weißt doch wie das ausgeht", sagte ich. "Du warst doch schon mal mit mir bei einem Länderspiel, du warst hinterher sauer auf mich, weil Deutschland drei-null gegen Tschechien verloren hat. Du wolltest mich nie wieder mitnehmen." (Wir erinnern uns.)

"Quatsch. Das wird lustig."

Darauf die Reaktionen der anderen Teilnehmer:

V.: "Super! Ich glaub an dich! Du brichst den Fluch!"

B. (auf T.s Ankündigung, er hätte Karten, ob B. eine wolle, leicht panisch): "Geht deine Schwester mit?!?!"

S. (auf T.s Ankündigung, er hätte Karten, ob S. eine wolle, leicht panisch): "Geht deine Schwester mit?!?!"

Ich glaube, wie B. und S. haben auch einige junge Nationalspieler reagiert, nur dass man sie zu spät gewarnt hat.

Wahrscheinlich hat erst kurz vor Spielbeginn jemand dem jungen René Adler auf die Schulter getippt und gesagt: "René, cool bleiben, sie ist hier. Guck, da oben, Südtribüne, Block 219, Reihe 21. Aber mach dir keinen Stress, sie bricht den Fluch." 

Woraufhin René Adler die ganze erste Halbzeit lang mit den Augen die Südtribüne absuchte, sich der besseren Sicht wegen in der 44. Minute zu weit vom Tor entfernte und... na ja. Das war dann das 1:0 für Argentinien.

Oder die anderen. Sicherlich hat dieser jemand kurz vor dem Einlaufen Ballack, Podolski und Klose beiseite genommen, sie traurig angesehen und gesagt: "Also, es ist wieder passiert. Sie ist da. Südtribüne, Block 219, Reihe 21. Es ist wie damals gegen Tschechien. Ihr kennt das. Macht euch keinen Kopf. Ist ja nur ein Freundschaftsspiel."

Aber die Herren gerieten trotzdem aus dem Takt und standen so verwirrt auf dem Platz herum, als müssten sie erst überlegen, wie das nun wieder geht mit dem Ball.

Zum wiederholten Mal ziehe ich daraus die Lehre: Nie wieder Stadion.

Nix da, sagt V. Jetzt erst recht. Auf 20 schlechte Spiele folgt ein gutes.

Zählt das pro Mannschaft? Muss ich mir noch 18 mal die Nationalmannschaft anschauen?

Nein, sagt V., das zählt insgesamt.

Wenn ich richtig gerechnet habe, liegen also noch 13 frustrierende Stadionbesuche vor mir.

Wer kommt mit?

1.3.10

24. Spieltag. Bochum.

V. und ich sind nun Onkel und Tante des kleinen E.

Das macht uns nicht nur sehr stolz, nein, wir finden auch, dass man E.s fußballerische Orientierung nicht früh genug in die richtige Richtung lenken kann. Vor allem, wenn der junge Vater Mainz-Fan ist.

Erste Schritte haben wir bereits unternommen:

1. In V.s Arm geparkt, starrte E. (5 Wochen) mehrere Minuten gebannt auf das Club-Logo an V.s  Brust. 

2. Gleichzeitig sangen V. und ich dem Kleinen ganz leise "Die Legende lebt" vor.

E.s Reaktion: Kein Mucks. Konzentriertes Zuhören. Fokussierung des Club-Logos ohne einen Wimpernschlag. Guter Junge.

Der Anfang ist gemacht.

25.2.10

23. Spieltag. Bayern München.

Freitagabend. Wir spielen wieder das Tipp-Spiel. Ich fange an.

"Und, was hast du getippt?" Ich halte das für eine rhetorische Frage, auf die ich die Antwort längst kenne. Unentschieden.

Aber er weicht meinem Blick aus, er dreht sich weg, wie jemand der etwas Schreckliches getan hat und murmelt "Is doch egal".

Das kann doch nicht sein... Er hat doch nicht... Hat er wirklich... "Du hast auf Sieg für BAYERN getippt?!?!?" 

Er verlässt wortlos den Raum.

Samstagnachmittag. Wohnzimmer. Auf dem Sofa: Ich. Am Computer: V.

Er hört das Spiel Nürnberg gegen Bayern über Internetradio, er trägt dabei einen Kopfhörer, der alle Außengeräusche ausblendet. Das heißt, ich kann dumme Sprüche wie "Nürnberg steigt ab" machen, worauf er irritiert die Kopfhörer hebt und "Was?!" ruft.

Es kommentiert der kongeniale Günther Koch, der in letzter Zeit immer öfter Spielernamen verwechselt. Aus Per Kluge wird Mike Kluge, aus Andi Wolf Uwe Wolf. 

"Ein Uwe Wolf hat mal beim Club gespielt", sagt V.
"Wann?"
"In den Sechzigern."

In den folgenden 90 Minuten beobachte ich interessiert, wie V. das Spiel verfolgt. 

Erst entspannt-konzentriert, dann locker-frustriert (1:0 Bayern), mittendrin springt er plötzlich auf, ruft "JA!" (1:1 Club), schließlich sinkt er immer mehr in sich zusammen, die Stirn berührt fast die Knie, das Gesicht vergräbt er in seinen Händen.
In den letzten Spielminuten sitzt vor mir ein verkrampftes Häuflein Elend, das verzweifelt "Pfeif doch endlich ab!" wimmert.

Am Ende hat der Club den Bayern tatsächlich ein Unentschieden abgetrotzt.

Während ich den Raum verlasse, sagt Günther Koch: "Eins zu eins gewinnt der Club gegen Bayern München."

So kann man das natürlich auch sehen. Abend gerettet, V. völlig erschöpft.

19.1.10

18. Spieltag. Schalke.

"Gegen Schalke, ist das eigentlich ein Heimspiel?"

"Nein, wieso?"

"Schade, sonst hätte ich ja mal mit ins Stadion gehen können. Ich meine, ein Spiel, das sie sowieso verlieren kann ja auch keine Schuldgefühle bei mir auslösen, oder?"

"Gute Idee! Das machen wir demnächst! So baust du den Fluch ganz langsam ab! Das funktioniert bestimmt!"

Oha, denke ich. Seit wann so fatalistisch? Ergibt er sich dem Abstieg?

Von wegen.

"Was hast du getippt?"

"Unentschieden natürlich. Und du?"

"Zwei-null Schalke."

"Du Schwein."

8.1.10

Heizdecken! S A L E !

Das neue Jahr war noch keine 14 Stunden alt, da behauptete das Internet, Roy Makaay würde zum Club wechseln. V. hyperventilierte schon.

Roy Makaay ist Holländer und hat mal bei den Bayern gespielt. Die korrekte Schreibweise seines Namens musste ich googeln. Früher dachte ich immer Rheuma-Kai wäre ein Spitzname (alternative Schreibweise: Rheumakai) oder eine Heizdecke, die nur auf Shoppingkanälen im Fernsehen verkauft wird. Dann dachte ich mal, es handele sich um die Bezeichnung für ein sehr kompliziertes asiatisches Gericht (geschrieben: Roi-ma-kai), das aus vielen unaussprechlichen Zutaten besteht.

Aber nein, es war ein Fußballspieler.

Das Gerücht, Roy Makaay würde zum Club wechseln, kam in die Welt, weil (O-Ton V.) "ein Nürnberger Pizzabäcker behauptet hat, er wäre sein Manager". Vielleicht war's auch der Inhaber eines China-Restaurants. Oder eines Geschäfts für Friseurbedarf. Vielleicht auch jemand, der Heizdecken verkauft. Egal. Der Wechsel kam nicht zustande.

Glaubwürdig war die Sache für V. trotzdem. Marek Mintal, das Phantom, wurde seinerzeit von einem Nürnberger Autohändler entdeckt.

Worauf V. auch sofort einen Spieler entdecken wollte.

Ich dachte so darüber nach, wie man das wohl anstellt, einen Spieler entdecken - ich stelle mir das recht zeitintensiv vor, wie kann man da nebenbei noch Autos verkaufen?
Irgendwie brachte mich das dann zu der Überlegung, wie das überhaupt läuft, wenn der V. und ich zusammen Dinge entdecken. Oder kaufen.

Das läuft so:

Wenn der V. ein neues Ding haben will, am besten eines, das man gar nicht so wirklich dringend aber schon irgendwie braucht, kann er auf mich zählen.
Zum Beispiel wenn es sich um goldene Volvos handelt, um ein zusätzliches Abspielgerät für Musik, Langlaufskier, silberfarbene Laptops, Fernseher... ach, die Liste ist lang.

Der V. weiß, er braucht nur ein klitzekleines, aber wirklich nur ein winziges bisschen Geduld.

Er weiß, zuerst werde ich die Vernünftige spielen. Die Sachliche, die sagt: "Überleg doch mal, V., das ist rausgeschmissenes Geld. Wir sind bisher super ohne das Ding klar gekommen. Wir haben schon so ein Ding, nur älter/kleiner/weniger schick. Das Ding ist überflüssiger Schnick-Schnack. Komm, V., bleiben wir vernünftig."

(Hier orientiere ich mich lose an Verhaltensweisen meiner Mutter. Sie schafft es, Dinge manchmal über Jahre abzuwehren, aber mein Vater ist ein geduldiger Mensch.)

Dann werde ich mit fester Stimme sagen: "Ich will das Ding sowieso nicht."

Jetzt muss der V. cool bleiben. Er darf nicht widersprechen. Die "Du-willst-es-doch-auch"-Nummer entfernt ihn nur von dem Ding. Wenn er das Ding unbedingt haben will, darf er höchstens ein bisschen schmollen oder traurig nicken und sagen: "Du hast ja recht."
Natürlich hab ich recht. Und ich will hören, dass ich es habe.

Keine Woche später werde ich brechen. Ganz von alleine. Ich werde aufschreien, meinen Kopf gegen die Wand schlagen und rufen: "Ich will das Ding! Kauf mir das Ding! Hol es jetzt sofort! Was machst du noch hier???"

Und dann geht der V. los und kauft das Ding.

5.1.10

Transfermarkt. Schlussverkauf.

Noch schnell ein paar neue Stürmer abgreifen? Billig Schuhe shoppen?
Ist doch das gleiche, wenn man es mal genau betrachtet.

Die Bundesligavereine stürzen sich auf die Wühltische des Transfermarktes, ich mich mit den Freundinnen T. und K. ins Einkaufszentrum. "Ich liebe dieses Wort", jauchzt K. und zeigt auf die großen roten Buchstaben S A L E.

Im Schuhladen wechselt ein Paar Stiefel, um sagenhafte 30 Euro reduziert, zu meinem Verein, also in meinen Schuhschrank. Die sind so viel wert wie ein neuer Stürmer. Mindestens.
T. schnappt sich ungerührt die gleichen Stiefel, nur in einer anderen Farbe. Kein Problem, das ist, als würden wir uns die Altintop-Zwillinge teilen, da spielt ja auch einer bei Bayern und der andere auf Schalke.

K. muss den Laden sicherheitshalber verlassen, von ihrem Freund war ihr am Morgen noch eingeschärft worden: "Keine Schuhe, keine Taschen." Als würde Horst Heldt (Manager Stuttgart) zu Christian Gross (Trainer Stuttgart) sagen: "Keine Stürmer, keine Rechtsverteidiger." Sie versorgt sich dafür in einem Geschäft mit italienischem Hintergrund mit Oberteilen, macht der VfB Stuttgart ja auch nicht anders. Die holten den Linksverteidiger Cristian Molinaro von Juventus Turin.

Beim Cappucino streichle ich meine neuen Stürmer.

"Du hast doch schon lila Stiefel", sagt K.
"Na und", meint T.
"Ja, aber die passen nicht richtig. Da könnt ich mir nach zwei Stunden die Füße amputieren."

K. überlegt kurz. "Welche Größe?"
"38."
"Nehm ich."
"Alles klar, ich bring sie dir nächste Woche mit."

Ähnlich wird das bei Nürnberg und den Bayern gelaufen sein.

Bader (Manager Club): "Hm, wo krieg ich so schnell noch nen Innenverteidiger und nen Mittelfeldspieler her."
Nerlinger (Manager Bayern): "Du, hier sitzen noch der Breno und der Ottl rum, die brauch ich grad eh nicht, die leih ich dir."
Bader: "Echt?!"
Nerlinger: "Klar, die nimmste gleich mit ins Trainingslager, probierst die mal aus."
Bader: "Vielleicht passen sie ja."
Nerlinger: "Genau. Und dann kannst du sie nach der Rückrunde behalten."
Bader: "Du, das ist so lieb. Danke."

Manchmal muss man aber auch Spieler gehen lassen. Oder Trainer. Auch wenn sie wahnsinnig gut ausgesehen haben. Aber eben nicht passten.

Aber ich will Michael Oenning nicht mit einer zu eng gekauften Jeans in Größe 36 vergleichen. Die Jeans werd ich wohl umtauschen. Hat der Club mit Trainer Oenning ja schon gemacht. Ob ich mir statt der Jeans aber was Vernünftiges, Unauffälliges wie Dieter Hecking leiste, weiß ich nicht.

Der Schlussverkauf ist ja noch nicht vorbei.




9.11.09

12. Spieltag. Mainz.

Heute ignorieren wir: Die Niederlage gegen Mainz. Insgesamt drei nicht gezählte, aber rechtmäßige Tore in den vergangenen Wochen. Die Aufregung um Philipp Lahm. 
T.s Aufforderung an V., sich endlich seiner Bestimmung in der Zweiten Mannschaft der SG Gabolshausen-Untereßfeld zu besinnen. Da arbeiten wir noch dran.

Stattdessen: Knallen wir uns vor die Glotze.

In unserer Montags-Lieblingssendung "Blickpunkt Sport" (im Bayerischen Fernsehen und hier) erzählte unser Lieblings-Torwart Raphael Schäfer gestern, wie gern er in Nürnberg lebt. Seine Frau findet's großartig, die beiden Töchter auch, Schäfer selbst, gebürtiger Niedersachse, erst recht - auch wenn's manchmal mit der Sprache hapert (aber wegen mir muss nicht jeder Niedersachse fließend Fränkisch sprechen). 

Und während Schäfer da so saß und trotz Relegationsplatz so viel Freude und Harmonie ausstrahlte, dass wir auch unweigerlich grinsen mussten - 

sagte V.: Wir könnten ja in Nürnberg wohnen.

Das ist sein größter Traum: Wir beide in Nürnberg, ich als Chefredakteurin einer wöchentlichen Fußballzeitung, V. selbst als Ballentwickler (sowas gibt's!) bei einem großen Sportartikelhersteller. Und: Dauerkartenbesitzer.

Ich (stelle mich blöd): Warum? Wir arbeiten doch in München. Wohnen wir auch logischerweise hier.

V. (verträumt): Schon. Aber wir könnten auch in Nürnberg wohnen.

Ich (will es einfach nicht kapieren): Aha.

V. (fast selig): Und eine Dauerkarte haben.

Ich (brauche keine Dauerkarte): So. Und dann?

V. (Augen nun geschlossen, die Dauerkarte innerlich beschwörend): Und dann einfach mal so ins Stadion trippeln.

Er hat wirklich "trippeln" gesagt, ich schwöre es.

11. Spieltag. Bremen.

Der 11. Spieltag war für mich ein fast fußballfreier Tag, zumindest bis zum Abend.
Keine Zeitung, kein Sportteil, keine Live-Übertragung im Stadion und vor allem - kein V.

Ab und zu braucht man ja ein bisschen Urlaub voneinander.

Das Fußball-Club-V-Defizit habe ich am Abend gleich wieder reingeholt. Und zum ersten Mal fremden Menschen vom Club, vom V. und von mir vorgelesen.

Sie haben sehr gelacht - darauf war V. ungefähr so stolz wie auf DFB-Pokalgewinn und Aufstieg zusammen, bemerkte aber, nicht ganz uneitel und ein bisschen Uli-Hoeness-haft, dass ihn das gar nicht wundere.

Bevor ihm das alles zu Kopf steigen konnte, trennte sich der Club von Werder Bremen mit einem Unentschieden, wie es nur die Nürnberger zustande bekommen: Ewig 2:0 führen und dann in allerletzter Sekunde noch den Ausgleich kriegen.

V. ist auf dem Boden der Tatsachen zurück.

25.10.09

9./10. Spieltag. Berlin. Hoffenheim.

Da die Zeit fürs Bloggen in letzter Zeit knapp bemessen war, die Spiele der vergangene beiden Spieltage in der Kurzzusammenfassung:

Es wurden insgesamt sechs Tore erzielt.

Drei gegen Berlin.
(Dazu A.: V., du bist ja heute so entspannt. Spielt der Club erst morgen?)

Drei gegen Nürnberg.

Vorläufiges Endergebnis: Tabellenplatz 17.

Momentane Stimmung: Gefasst.

V. hat außerdem seine Ankündigung wahr gemacht und hat an der Jahreshauptversammlung des 1. FC Nürnberg teilgenommen. Nicht ganz unwitziger Seitenaspekt des Ganzen: Wäre er nur einen Tag später Mitglied geworden, hätte er nicht hin gedurft. War das Hochzeitsdatum also richtig gewählt.

Ich glaube nicht, dass er extra nach Nürnberg fährt, bis er mich an jenem Dienstagabend um halb sechs anruft und nur sagt: "Ich steh hier neben Mintal!"

Es stellt sich heraus, dass Marek Mintal einige wenige Meter weiter weg mit anderen Spielern eine Sitzgruppe belagert. V. weigert sich strikt, hin zu gehen und nach einem Autogramm zu fragen. Echauffiert sich über einen Fan, der weniger Hemmungen hat und Mintal fragt, warum es in letzter Zeit nicht so läuft für den Club. Weigert sich außerdem, mit Michael Oenning einen Stehtisch zu teilen und nach einem Autogramm für mich zu fragen. Wär ich doch mitgefahren.

In den darauffolgenden Stunden ruft er mich weitere vier Mal an um zu sagen, dass
- Günther Koch einen Antrag gestellt hat ("Günther Koch!!!")
- Michael Oenning eine tolle Rede gehalten hat
- Ulrich Maly, der Nürnberger Bürgermeister, eine tolle Rede gehalten hat, und
- dass er jetzt nach Hause fährt, obwohl die Versammlung noch dauert.

Um eins war er dann wieder da. Ohne Autogramme. Das üben wir nächstes Jahr noch mal.

7.10.09

8. Spieltag. Leverkusen.

Manchmal ist das Leben gemein und hält nicht die richtige Reihenfolge ein. Bei V. war das am Wochenende so.

Die richtige Reihenfolge wäre gewesen:
Das Spiel Nürnberg-Leverkusen hören/sehen, sich grämen, ärgern, aufregen, eine Nacht drüber schlafen, sich noch mal grämen, ärgern, aufregen, dann aber 12 Stunden lang auf der Wiesn den Frust vergessen, am nächsten Tag den Kater aus- und den Frust verschlafen und gut is.

Leider war es aber so:
V. verbringt am Freitag 12 Stunden auf der Wiesn, ist am Samstag entsprechend indisponiert und bleibt bis Nachmittags im Bett/auf dem Sofa. Erwacht wie von Geisterhand geweckt kurz vor halb vier, rafft sich auf, schleppt sich zum Radio, da fällt schon das 1:0 für Leverkusen. Er isst ein Wurstbrot gegen die Übelkeit und die Kopfschmerzen, aber dann fallen noch drei Tore auf der falschen Seite, da wird ihm fast schon wieder schlecht. Dann grämt und ärgert er sich und regt sich auf, auch als ich am Sonntagabend zurückkomme, um ihn zu erlösen.

Nein, wirklich kein ideales Wochenende.

Dafür hat V. sein ideales Wiesn-Outfit gefunden, nämlich sein neues Club-Jäckchen, sozusagen fränkische Tracht. Damit muss er der Star gewesen sein, wildfremde Menschen hätten ihn mit "Wir sind der Club" begrüßt, manche ihn sogar umarmt. Und Drei im Weggla hat er auch gegessen.

Wenn das kein Trost ist.

30.9.09

Blattkritik: 11 Freundinnen

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft ist gerade wieder Europameister geworden, nächstes Jahr ist die Frauen-WM in Deutschland und hier ist zwar immer von Frauen und Fußball, aber nie von Frauen, die Fußball spielen, die Rede.

Drei Gründe, das zu ändern und ein vierter: Das von V. hoch verehrte, von mir abonnierte Fußball-Magazin 11 Freunde hat ein neues Spin-Off herausgebracht: 11 Freundinnen. Und das schau ich mir jetzt genauer an, während V. im Liverpool-Trikot auf dem Sofa liegt und Bayern-Juve guckt.

Wer sehen will, von was die Rede ist, klicke hier.

Das Titelbild:
Die Nationalspielerin Kim Kulig, blond, hübsch, cool angezogen, lehnt an einer grünen Wand und schaut selbstbewusst in die Kamera. Das ist nett. Nett ist nicht gut. "Anbiedernd", sagt V. (er hat vorher ungefähr drei Seiten der 11 Freundinnen gesehen, mehr nicht). Brav, finde ich. Und ein bisschen langweilig. Immerhin schaut Kim Kulig, die ich nicht kenne, ganz interessant aus, so dass ich wissen will, wer das ist. Aber die Zeile "Lieber Weltmeisterin als Millionen" macht mich jetzt auch nicht heiß auf das Interview mit ihr.
Fazit: Das "Vaterheft" (kann man das so sagen?) ist schon auf dem Titel lustiger, frecher, scheißt sich nix. Hier denke ich: Da hat man sich nicht getraut. Nicht, dass am Ende einer sagt, die machen sich über die Frauen lustig. Obwohl man mit Kim Kulig sicherlich hätte rumkaspern können. Aber da sind die 11 Freunde wohl Gentlemen.

Seite 3:
Hier setzt sich die schöne Kreideschrift vom Titelbild fort, aber leserlicher. Schön. Das Zitat war wohl ein Muss, so nach dem Motto: "Das ist das gültige Vorurteil, das bürsten wir jetzt mal gegen den Strich" - soll ja auch so sein. Aber wenn 11 Freundinnen künftig vier Mal im Jahr erscheint, will ich nicht immer zum Einstieg ein frauenfeindliches Zitat. Echt nicht.

Inhalt:
"Coole Werbung", sagt V. und meint Nadine Angerer auf der gegenüberliegenden Seite. Wenn wir schon mal dabei sind: Coole Werbung für Sportklamotten mit Frauen ist für mich nicht, Frauen einfach in Männerposen hinzustellen. Die Torfrau vorne dran, der Rest der Mannschaft schaut grimmig. Wo ist da der Unterschied zu den Jungs?

Aber weiter im Thema. "Ein eigenständiges Magazin für einen eigenständigen Sport", soll das neue Heft sein. Wunderbar. Seh ich auch so. Die Einstellung ist die richtige, aber das hatte ich nicht anders erwartet. Kurzer Blick ins Impressum: Neben zwei Männern schreiben vier Frauen, Bild Redaktion, Art Direction: weiblich. So soll das sein.

Rubrik "Laufsteg":
Kopfballduell während der Frauen-EM, ein Klassiker-Foto, aber behäbig getextet: "Auch Kerstin Garefrekes gibt die interessierte Beobachterin." Klingt nach Sonntagnachmittag in der Kreisklasse.

Rubrik "kleinklein":
Na, geht doch: Die Spielerinnen des schwedischen Clubs Kristianstad DFF ziehen sich aus, Alien III und Marta wurden bei der Geburt getrennt. Der von den 11 Freunden gewohnte Esprit blitzt schon durch.
Manchmal hätte ich mir aber ein bisschen mehr Info, mehr Recherche gewünscht:
Ein Kleintext kritisiert die FIFA für einen prüden Ratgeber zu Menstruation,Verhütung und Schwangerschaft. Sicherlich zu Recht. Aber was soll ich mit dem Satz "Und wieso empfiehlt der Weltverband uneingeschränkt die Pille, ein Medikament, bei dem Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden können?" Ich glaube, bei so gut wie keinem Medikament können Spätfolgen ausgeschlossen werden. So gut wie jedes Medikament hat Nebenwirkungen, so auch die Pille - die etwa 75 Prozent der verhütenden Frauen nehmen. Man wird kaum einen Gynäkologen finden, der die Pille verdammt. Stattdessen wird er aufzählen, wie gut sie bei Regelbeschwerden oder Endometriose hilft, und das sie Eierstockkrebs verhindern kann. Den zitierten Satz finde ich oberflächlich - betroffene Männer und Frauen wird er irritieren. Die werden wissen wollen, was das für Spätfolgen sein sollen.
Ob ein dem Spielplan angepasster Zyklus, so heißt es weiter im Text, Langzeitschäden für den Körper zur Folge habe, wisse die FIFA auch nicht. Gemeint sind damit wahrscheinlich sogenannte Langzyklen, bei denen man nur alle drei Monate eine Pillenpause macht, nicht alle vier Wochen. Hätte man der geneigten Leserin auch mal erklären können, anstatt sich darüber zu echauffieren, was die FIFA alles nicht weiß. Ob Langzyklen auf Dauer schädlich sind, wissen nämlich auch Gynäkologen nicht. Sie vermuten: nein. Und empfehlen den Langzyklus meist auch uneingeschränkt.

Noch eine Meldung: Ein niederländischer Klub spielt in Röcken mit Radlerhosen drunter und kriegt deswegen Stress mit dem Verband, weil Röcke verboten sind. Habe ich verstanden. Nur - warum wollten die denn überhaupt in Röcken spielen? Stell ich mir unbequem und unpraktisch vor! Auch wenn das süß aussieht. Aber wir sind doch nicht beim Feldhockey!

Interview Kim Kulig:
Bild: Och Mensch. Wir sind doch nicht bei "Emotion" oder "Für Sie". Wenn ich da so so sehe, wie Kim Kulig da auf ihrer Rattanliege liegt, die grauen Steinplatten, das Terrassengeländer... Nee, das macht eigentlich keine Lust auf den Text. Aber gut. Manchmal hat man ja auch nicht viel Zeit mit der Protagonistin, der eigentlich ausgesuchte Ort zum Fotografieren ist scheiße, das Wetter auch. Ich verzeih das mal.
Text: Solide. War nett, Frau Kulig kennenzulernen. Ziemlich langer Fragenkatalog, kurze Antworten. Inhaltlich gibt das Interview nicht so viel her, aber eine 19-Jährige hat wahrscheinlich auch noch nicht so viel zu erzählen. Aber auf Platitüden-Fragen ("Gibt es Dinge, auf die Sie im Leben verzichten müssen?") gibt's auch Platitüden-Antworten ("Ich habe weniger Freizeit als andere in meinem Alter...").

Rubrik "Gute Partie":
Wie Deutschland zum ersten Mal Europameisterin wurde, Torfrau Marion Isbert erzählt. Schön.

Reportage "Frauen des FC Bayern":
Frauen? Fußball? München? Der Text muss von Kathrin Steinbichler sein. Ist er auch. Ist gut so. Beobachtet gut, schreibt toll darüber, wie sich die FC Bayern Frauen über die Jahre Anerkennung im Verein erkämpfen. Und Gerd Müller bringt sogar Kuchen vorbei. Der Text zeigt aber auch, wie es aussieht bei den Frauen: Vom Verein gibt's Lob und Schulterklopfen, aber spielen sollen sie bitte draußen in Aschheim, weit weg von den Männern. Dass sich das langsam ändert, zeigen wohl auch Beispiele wie Hoffenheim, worüber 11 Freundinnen hoffentlich berichten wird.

Rubrik "Mannschaftsbild":
Klasse, alle Erwartungen erfüllt. Das Layout steht quer, als ob's ein Poster zum An-die-Wand-hängen wär, vom Foto schauen ernst 13 schwarze Frauen über 60, die in Südafrika Fußball spielen. Über die hätte ich gerne mehr erfahren.

Reportage "US-Liga":
Das wusste ich nicht - in den USA gab es acht Jahre lang keine Profiliga für die Frauen. Dabei hatte ich gerade dort die Heimat des Frauenfußball verortet. Spielen da nicht alle Mädchen in der Schule Fußball? Kommt da nicht auch der Begriff "soccer mum" her? Der Artikel hat mich schlau gemacht, das mag ich. Aber ob ich als deutsche Spielerin da rüber wollte, wenn die wohl eh bald wieder pleite machen? Ich weiß nicht.

Rubrik "Gleichberechtigung":
Männer im Frauenfußball. Dickes Lob.

Rubrik "Es war einmal":
Schwarz-weiß Fotos von früher. Geht immer. Soll fast immer. Hier auf jeden Fall.

Rausschmeißer:
Bei den Jungs drüben gibt es Günter Hetzer, vorher mal Rolf Töpper, Wien. Sowas ist schwer zu überbieten. Aber man hätte es ja mal versuchen können. Stattdessen gibt's "Kaffeeklatsch mit Hannelore", ein Interview mit dem einzigen weiblichen Präsidiums-Mitglied des DFB, Hannelore Ratzeburg. Das ist sehr sachlich: Die Vereine müssen besser trainieren, im Stadion muss man auch einen Kaffee trinken können, Play-Offs sind keine Alternative zum zerrissenen Ligabetrieb, "weil es die normale Serie sportlich entwerten würde". Das klingt schon sehr nach Präsidium, fast schon präsidial! Da hätte man gleich mit Horst "FußballFußballFußball" Köhler sprechen können. Also hinten raus bin ich enttäuscht, da säuft das Heft ein bisschen ab. Kaffeeklatsch mit Hannelore? Och nee, dann lieber auf einen Trollinger mit Günter Hetzer.

Fazit:
Gutes Heft, aber da geht noch mehr. Ich bin gespannt auf die zweite Ausgabe in gut drei Monaten. Nur einen Einwand habe ich: Wer soll das lesen? Genauer: Wer ist die Zielgruppe? 11 Freundinnen liegt der 11 Freunde bei, hat aber auch eine kleine Auflage am Kiosk.
Wer liest die Beilage? Der normale 11-Freunde-Abonnent? Der wird so schnell nicht mit Frauenfußball warm werden, der wird weiter sagen, "Da geht's zu wenig zur Sache, die foulen ja nicht mal". Von der Meinung wird er nach der ersten Ausgabe nicht abrücken. Dafür war das Heft zu brav, da ging's kaum zur Sache und getreten wurde schon mal gar nicht.
Vielleicht soll's ja seine Freundin lesen? Als Beilage vielleicht - aber würde sie sich das Heft auch am Kiosk holen? Wohl eher nicht.

Es braucht einen langen Atem, so ein Heft zu etablieren. Da geht's um den Klassenerhalt. Ich hoffe, das klappt.

29.9.09

7. Spieltag. Bochum.

Er wäre ein guter Fußballmanager, sagte V. heute morgen. Nein - sogar ein außerordentlich guter!

Ich kann nicht ganz folgen, die Zeitung verwirrt mich, das Panorama klebt hinten am Sportteil, wer macht denn sowas! Dieses Zusammengeschustere ist höchst problematisch, denn normalerweise liest V. den Sportteil und ich das Panorama, was schlecht geht, wenn beide plötzlich eine Einheit bilden. 

Starre ich also muffelig in meinen Ingwertee. V. doziert weiter über seine Qualitäten als Manager. Wie kommt er eigentlich darauf? Hat doch noch nie irgendwas gemanagt! Sieht man von so Sachen wie Auto kaufen und verstopfte Abflüsse reparieren ab.

Schlaftrunken reichen sich ein paar Synapsen in meinem Hirn die Hände. Stimmt, da war ja was. V. hat am Abend zuvor den Manager des 1. FC Nürnberg, Martin Bader, bei Blickpunkt Sport gesehen. Herr Bader war sehr ernst, dem Anlass angemessen. Der Club hat gegen Bochum verloren und steht auf einem Relegationsplatz. Früher hieß das auch Abstiegsplatz, aber dann hat man die Relegation wieder eingeführt.

Herr Bader musste sich, so sah es V., vom Moderator unverschämte Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel, ob der Verein ein Problem damit hat, dass der Trainer drei Mal in Folge verliert, aber noch Zeit findet, beim Bezahlfernsehen zu kommentieren. Kann man gerne fragen, fand ich. Sollte man auch. Für V. kam das einer Majestätsbeleidigung gleich! Dass der Herr Bader darauf noch so ruhig und freundlich antworten könne!

Ja, das sind die kleinen, nicht unwichtigen Feinheiten des Journalistenberufs, die will er manchmal nicht sehen. Und die sind ihm auch nicht bewusst, wenn er sich wünscht, seine Frau möge zur Sportreporterin umschulen.

Das alles geht mir noch mal durch den Kopf, während ich den Ingwertee beobachte. Zwei weitere Synapsen fallen sich jubelnd um den Hals. Du! Hier! Auch schon wach!

Warum er denn ein so guter Manager wäre, frage ich V.

Na, weil er sich diese unverschämten Fragen nicht gefallen lassen würde, sei doch klar.

Dann wärst du ja wie Uli Hoeness, sage ich.

Da ist er beleidigt.

24.9.09

Pokal? Welcher Pokal?

Ich hatte fest vor, unter dem Label "DFB-Pokal 2009/2010" mehr als einen Eintrag zu veröffentlichen. Nun, die Chance habe ich insofern verpasst, dass

a) ich zu verpeilt war, etwas zur ersten Runde zu posten und
b) der Club gestern sowieso ausgeschieden ist, gegen Hoffenheim. Da hätten wir gleich nochmal gegen Bayern spielen können. Immer feste druff.

Das mag nun ungerecht sein, hat V. aber im Großen und Ganzen doch nicht tangiert.

Weil der VfB Wolfsburg, Hertha BSC Berlin und der HSV auch ausgeschieden sind.

"Da ist man doch als Pokalausscheider in bester Gesellschaft", findet V.

6. Spieltag. München.

Es gibt Ereignisse im Leben, die sollte man nicht alleine durchstehen. Man sollte sich stattdessen gute Freunde an seine Seite holen, solche, die einem unterstützend auf die Schulter klopfen, solche, die, die Niederlage vor Augen, einfach noch ein Helles bestellen. Wenn möglich, sollten auch noch ein, zwei Engländer dabei sein, die enthusiastisch, in einer Kneipe voller Bayern-Fans, "Go Nuremberg!" rufen, aber das ist dann eher die Deluxe-Edition.

Wir haben also die Niederlage der Nürnberger gegen die Bayern am vergangenen Samstag zusammen mit guten Freunden und zwei Engländern, aber umringt von Bayern-Fans in einer Bayern-Kneipe erlebt.

Es war gar nicht so schlimm. Die Bayern-Fans bedachten uns eher mit mitleidig-gerührten Blicken als mit der Aggressivität des Gegners. Wenn sie bei den beiden Bayern-Toren jubelnd die Arme nach oben rissen, rutschten wir noch etwas tiefer in unseren Stühlen nach unten und bildeten ein kleines Loch im Jubel-Teppich. Im Gegenzug sprangen beim Nürnberg-Tor auch nur wir von den Sitzen.

Gegen Ende des Spiels versuchten P. und ich noch, der bevorstehenden Niederlage Positives abzugewinnen. Wir hatten beide 3:1 für Bayern getippt und ich war überzeugt, am Montag wenigstens ein bisschen Geld einzustreichen, sozusagen als Entschädigung. Hat auch nicht geklappt.

V. war tapfer. Ärgerte sich natürlich wieder mit ungefähr zwei Stunden Verzögerung. Verpasste mir und P. einen Anschiss für unseren Tipp. Macht man nicht. V. hat natürlich Unentschieden getippt. Ein echter Fan rechnet nie mit einer Niederlage seines Clubs. Zumindest nicht V.

Lieber bestellt er noch ein Helles.

18.9.09

Kleines Glück.

Zur Verbesserung meines Autoschlafs haben wir ein neues Auto gekauft. Heute morgen war V. bei der Zulassungsstelle, um es anzumelden und das Nummernschild abzuholen.

Danach ruft er mich sofort an.

V: Ich muss dir sofort das Kennzeichen sagen! Das glaubst du nicht! M-FV!!! Wahnsinn!

Ich: Das ist großartig!

V: FV! Fußballverein!

Ich: Hab ich kapiert, ich bin ja nicht blöd.

V: Ist das nicht klasse? Nicht, dass du denkst, ich hätt dazu was beigetragen! Das war kein Wunschkennzeichen. Das haben die mir einfach so gegeben! FV!


Nie hatte je ein Volvo ein schöneres Kennzeichen. Einfach so.

15.9.09

5. Spieltag. Mönchengladbach.

Auf Autofahrten schlafe ich meistens sofort ein. Das liegt in der Familie. Auch meine Mutter, mein Bruder, mein Onkel und mein Großonkel werden vom Brummen des Motors dermaßen eingelullt, dass ihnen innerhalb weniger Minuten die Augen zufallen. Beim Opa, der nicht mehr lebt, war das ebenfalls so. Überhaupt können die Mitglieder meiner Familie mütterlicherseits, immer und überall sofort und gut schlafen - es sei denn, wir fahren selbst, versteht sich - was vor allem meinen Vater wurmt.

Der Autoschlaf ist, wie ich finde, ein sehr erholsamer, außerdem verkürzt er lange Fahrten und verhindert Langeweile. Und da mir beim Lesen im Auto gleich schlecht wird, bleibt mir ja nichts anderes übrig. Jetzt kommen bestimmt gleich wieder die Romantiker und schimpfen, ich könnte, sollte, müsste mich ja mit dem V. unterhalten, der ja schließlich fährt, aber das will der ja auch nicht immer. Außerdem hat er sich daran gewöhnt, dass ich kurz hinter Neufahrn in die Schlafposition rutsche.

An diesem Samstag schlafe ich aber nicht, erst ergibt es sich irgendwie nicht, und dann fängt "Heute im Stadion" an. Ich bin ja sozusagen noch Ersthörer, jedenfalls habe ich noch nie so richtig ein ganzes Spiel mit angehört. Heute reicht es immerhin für eine ganze Halbzeit und so schnell wie ich sonst einschlafe, erliege ich diesmal dem Charme der Bundesliga-Konferenz, besonders der speziellen Artikulation von Karl-Heinz Kars. Als er ein Tor für Dortmund meldet, klatsche ich vor Begeisterung in die Hände, und dann führen auch noch die Nürnberger!

1:0 in der ersten Halbzeit! Da zeichnet sich doch ein Heimsieg ab! Obwohl, gibt unser Reporter den Skeptiker, jetzt müsste das "psychologisch wichtige zweite Tor vor der Halbzeitpause" fallen. Dann könne nichts mehr passieren, das wäre erwiesen, statistisch und so, dann wäre der Sack zu gemacht, die Sache geritzt, der Drops gelutscht und so weiter.

V. verdreht die Augen. "So ein Quatsch", setzt er an. "Das stimmt alles gar nicht. Ein zweites Tor vor der Halbzeit oder nicht, DAS ist erwiesen, hat überhaupt keinen Einfluss darauf, ob das Spiel gewonnen wird oder nicht, da gibt es Statistiken und und und."

Ich: "Wo hast du das jetzt wieder her? Das erfindest du doch gerade!"

V.: "Nein, das hab ich aus dem Buch!" V. liest gerade das wichtigste Buch aller Zeiten, "Die Fußball-Matrix" von Christoph Biermann.

Ich: "Aha. Wieso liest du mir aus dem Buch eigentlich nie vor? Das wäre doch prädestiniert dafür!"

V. (zögerlich): "Ja, schon. Aber ich glaube, das ist zu hoch für dich."

Ach so. Kann schon sein. Mathe war ja nie so meine Stärke. Aber in Statistik war ich gar nicht so schlecht. Glaube ich jedenfalls.

25.8.09

3. Spieltag. Hannover.

Samstagmorgen. Leseritual. Schweigen.

Plötzlich fragt V.: Was heißt denn neolithisch?

Ich: Keine Ahnung, schau halt im Duden nach. Was hat das Wort eigentlich im Sportteil verloren?

V.: Nix. Ich hab heute mal mit dem Feuilleton angefangen. Ist übrigens total interessant. Diese Ausstellung in London, da sollten wir mal hingehen. 

Ich: Eigentlich keine schlechte Idee, das Pfund steht ja gerade auch so gut.

Dann wieder: Schweigen. Leseritual.

Und als ich mich in diese sehr lange Reportage über den Mann mit den vielen Schlangen vertiefe, blitzt irgendwo in meinem Hirn, wahrscheinlich in der Fußballecke, kurz, aber nur ganz kurz, der Gedanke auf, ob das nicht ein schlechtes Omen ist, vor dem Spiel gegen Hannover einfach mal so mit dem Feuilleton anzufangen. 

Und wie sich einige Stunden später zeigt: Es war vielleicht kein Omen, aber es war schlecht. Er wird das nicht wieder tun.

Küren wir, trotz allem, den

Spieler des Tages: Raphael Schäfer

Was ich über ihn weiß: Nürnbergs Jahrhundert-Torwart, unverzichtbar im Pokalsieger-Jahr, danach nach Stuttgart verkauft, dann reumütige, freiwillige Rückkehr in die zweite Liga. 

Wie V. ihn findet: V. hat selten viel für "Torwächter" (Zitat Günter Netzer) übrig und ist, wenn, dann Fan von Andreas Köpke. Aber auf den Schäfer lässt er nix kommen.

Warum Spieler des Tages: Er hat einen Elfmeter gehalten und den Club so vor einer noch größeren Schmach bewahrt.

Weitere Fakten: Raphael Schäfer ist in Oberschlesien geboren und lebt seit seinem siebten Lebensjahr in Deutschland. Und beim Club ist er seit 2001 – die wenig erfolgreiche Unterbrechung in Stuttgart mal nicht eingerechnet.