27.2.07

23. Spieltag: Cup der guten Hoffnung

Er verließ am Samstagmorgen das Haus und ließ den ganzen Tag nichts von sich hören. Keine leidgeplagte Nachricht auf dem Handy, kein enttäuschter Seufzer am Telefon. Am Abend erfuhr ich das Ergebnis, 2:1 für Mainz. Ich sorgte mich ein bisschen.

Er kam am Sonntagabend zurück, entspannt, gut gelaunt, als er hätte er da was nicht verstanden. Aber jetzt mal ehrlich, eigentlich muss man V. dafür loben. Dass er nicht in Lethargie verfällt, abergläubisch wird oder wütend vor sich hin schimpft.

Er hat die Niederlage genommen wie ein Mann, der noch weiß, wie es in der zweiten Liga aussieht. Es war ein gutes Spiel, sagte er, und dass sie in der vierten oder fünften Reihe saßen. Und dass es anstrengend ist, zu einem Auswärtsspiel zu fahren. Ich solle froh sein, dass er es so anstrengend finde. Unsere Wochenenden, gerettet.

Gestern lag auf dem Schreibtisch der ausgefüllte Antrag für die Club-Mitgliedschaft. Heute ist Pokal, der Manager des FCN hört im Auto Nirvana und der Club ist immer noch auf einem Uefa-Cup-Platz.

Aber das nur nebenbei.

22.2.07

22. Spieltag: 24 Stunden sind nicht genug

Wieder gewonnen. Völlig unerheblich das. Gegen wen, noch unerheblicher.

Wichtiger, sagt V. gerade in diesem Moment: Den Uefa-Cup-Platz haben wir jetzt noch länger als 24 Stunden. In Echt.

Noch wichtiger: V. geht am Samstag ins Stadion. Nach Mainz. Haupttribüne. Er wird Jürgen Klopp den Kopf tätscheln können und der wird ihn dafür mit einem Filzstift markieren, wie er es im Fernsehen immer tut.
V. ist völlig aufgedreht. Will sein Clubtrikot anziehen. Das alte. Will aber auch seit Monaten ein neues kaufen. Oder eines mit Lehmann drauf, falls der wirklich zum Club geht. Stand schon in zwei Zeitungen, sagt V.

V. geht also ins Stadion.
Mir fällt Freund K. ein - auch so ein Club-Fan. Ich traf K. kurz vor Weihnachten, auch er gefangen in einer Mischung aus Delirium, Euphorie und Panik, der Traum könnte morgen vorbei sein.

Ich zu K: Mensch, jetzt können wir doch mal zusammen ins Stadion, das wär doch schön, jetzt spielen sie so gut.
K.s Panik vergrößert sich ein bisschen.
Er könne keinesfalls ins Stadion, und falls der Club weiter so gut spiele, werde er nie wieder gehen.
K: Wenn ich im Stadion bin, dann verliert der Club, das darf ich nicht herausfordern!

V. sagt, der Club habe auch schon gewonnen, als er im Stadion war. Außerdem erinnere er sich gerne an das 3:0 gegen Schalke. T. war damals dabei, mit seinem Dortmund-Schal. Da war V. ein bisschen in Sorge, wegen den Schalke-Fans vor ihnen. Ist damals aber nichts passiert, T. war noch sehr jung.

Ich war auch mal beim Club, im Frankenstadion sogar, gegen die Bayern. Das war 1991, ich war zwölf und es war ein sogenannter Ministrantenausflug. Ich habe mich im Stadion mehr gelangweilt als vorher im Zoo. Und mich geärgert, dass ich nichts zu lesen dabei hatte.

Einmal bin ich aufgestanden, als ein Tor fiel. Hätte sonst doof ausgesehen.
Der Club hat damals 1:0 verloren.

Ich fahre nicht mit nach Mainz. Vielleicht bin ich ein bisschen wie K.

11.2.07

21. Spieltag: Nicht nur 24 Stunden

Den Fußball hatte ich fast vergessen. Es war irgendwie so ein Biathlon-Tag.
Ich döse auf dem Sofa, während die Damen-Staffel in Antholz Gold gewinnt und Michael Greis mit der bayerischen Fahne nach dem Massenstart ins Ziel lief.

Beim Essen sagt V. plötzlich: "Ich hab heute noch gar nichts gesagt, gell?"
Fragender Blick meinerseits.
V.: "Ich hab noch nichts über Fußball gesagt."

Da fällt's mir wieder ein. Klar, Fußball, da war doch was. Das heißt, gestern war nichts, der Club spielte mal wieder am Sonntag. Es war viertel vor sieben. V. wurde dann doch nervös. Rutschte nervös auf dem Stuhl herum.

V.: "Weißt du, Berlin hat gestern verloren, und wenn der Club heute gewinnt, dann sind wir echt auf einem Uefa-Club-Platz. Nicht nur für 24 Stunden!"

2:0 gegen Bochum. Da sitzen wir nun auf dem Uefa-Cup-Platz, mindestens bis nächste Woche.

6.2.07

20. Spieltag: Beginn einer neuen Zeitrechnung

Die Veröffentlichung dieses Posts verzögerte sich um vier Tage, weil ich am Freitagabend fast die Wohnung mit einem Bügeleisen in Brand setzte.

Natürlich interessiert das jetzt wieder keinen, wenn die Tussi nicht vernünftig bügeln kann. Aber es passierte beim Schrei zum 1:0, setzte unser Wohnzimmer nahezu in Flammen und stürzte den FC Bayern ins Nirvana. Aber ich soll nicht so viel über die Bayern schreiben, Auftrag von V.

V. verbrachte den Freitagabend in einer Art Schockstarre, nachdem er hektisch nach Wegen suchte, sich das Spiel wenigstens anzuhören. Wir haben immer noch kein Arena, aber das kann sich ändern, noch bevor V. sein 31. Lebensjahr vollendet.

Erfreut stellte V. fest, dass das Spiel im Internet übertragen wird, zuerst über Bundesliga-Live oder so (ganz lahme Kommentatoren, sagt V.), die zweite Halbzeit dann auf B5 (wenn schon nicht Günther Koch, dann wenigstens Hans-Peter Pull).

Schließlich saß V. vor dem Computer, erinnerte mit seinem Kopfhörer irgendwie an Willi bei Biene Maja und starb wie immer fast vor Angst.

Ich verbrachte die Zeit mit "Matula, Privatdetektiv" und Bügeln. Bis ein Schrei das angeregte Gespräch von Matula und Anwalt Lessing unterbrach und mir vor Schreck fast das Bügeleisen aus der Hand fiel.

Der Rest des Abends kann als Beginn einer neuen Zeitrechnung gewertet werden. Wohnzimmer gerettet, Club gewinnt 3:0.

Den Rest des Wochenendes allerdings konnte V. kaum an sich halten und musste in der U-Bahn "So sehn Verlierer aus" singen, auch wenn sich gerade keine Bayern-Fans im Wagen befanden.

Meinen Wunsch, sich doch etwas mehr nach innen zu freuen, hat er ignoriert.

31.1.07

19. Spieltag: Schon wieder englische Wochen

Mir geht das zu schnell, mir ist das zuviel. Schon wieder Fußball, war doch erst. Und dazwischen noch Handball. Und vielleicht noch Wintersport.

Immerhin zeichnet sich ab, dass sich der Abstieg des FC Bayern proportional zum Abstieg des Edmund Stoiber verhält.

Rutschen die Bayern noch tiefer als Platz 4, sollte Stoiber noch vor dem 30. September aufhören?

Steigt mit der Wahrscheinlichkeit, dass Günther Beckstein bayerischer Ministerpräsident wird auch die Wahrscheinlichkeit für den Club, noch in dieser Saison deutscher Meister zu werden?

Oder müssen wir alle den Parteitag Ende September abwarten?

Tritt dann Hoeneß gegen Huber und Seehofer an? Was geschieht dann mit Markus Söder?

Fragen, die beschäftigen.
Für die aber keine Zeit ist, denn übermorgen ist schon der nächste Spieltag.

Also mich stresst das.

29.1.07

Der Albtraum

Es war zu viel für ihn. Ich hätte es kommen sehen müssen.
Heute morgen begegne ich V. in der Küche. Das Licht im Flur blendet, er kneift die Augen zusammen, sein Gesicht ist zerknautscht.

"Stell dir vor", sagt er, "ich hab ganz schlecht geträumt. Ich hab geträumt, wir hätten am Ende doch 8:4 verloren, stell dir das vor. Und ich müsste heute auf die Arbeit... Diese Häme..."

Dazu muss man sagen, dass sich an V.s Arbeitplatz so gut wie keiner für Fußball interessiert, was ihn in anderen Situationen schon oft erzürnt hat. Nur einer nimmt die Sache genauso ernst wie V. Dieser Arbeitskollege ist Stuttgart-Fan. Eben diesem hat er nach dem 1. Spieltag feixend die Tabelle an die Tür gehängt. Seit Samstag freut er sich auf die Wiederholung dieser Szene, ganz genüsslich und in Zeitlupe. Wieder drei Tore Unterschied, haha.

Die Angst, die Ereignisse vom Samstag seien nichts weiter als ein Tagtraum gewesen, verfolgte ihn bis in den Schlaf.

"Die fränkische Versagensangst", hat er es heute genannt.
Der übliche fränkische Minderwertigkeitskomplex, nichts weiter, würde Uli Hoeneß sagen.

27.1.07

18. Spieltag: Hoch die Tassen

Gestern war ein Bericht über Markus Söder in der Zeitung.

Herr Söder wird derzeit von allen Seiten kritisiert, er hätte nicht so richtig zu seinem Chef gehalten. Das hat ihn verstört. Dass man ihm Karrieregeilheit vorwirft, das ist er gewöhnt. Aber dass er seelenruhig zugegucken würde, wie sein Chef zurückgetreten wird, das trifft ihn hart. Und dann kommt es auch noch von Uli Hoeneß, der ja ein großer Kritisierer vor dem Herrn ist. Wahrscheinlich hat sich Markus Söder da ein bisschen gefühlt wie Christoph Daum und das hat ihn dann sehr geärgert, was er ja auch gesagt hat.
Und dann kommt es auch noch von Uli Hoeneß, der ja bei den Bayern ist. Typisch, wird sich der Club-Fan Söder da gedacht haben.

In dem Zeitungsbericht stand, Söder sitze in seinem Büro, ärgere sich über Hoeneß und halte eine 1.FC-Nürnberg-Tasse in den Händen.Womit wir wieder beim Thema wären: Menschen, die man nicht mag, mit denen man aber geliebte Dinge teilen muss. Ich muss Robbie Williams mit kreischenden 16-Jährigen teilen, die der englischen Phonetik nicht mächtig sind. Ich muss Stoppok mit besoffenen Prolls teilen, die mir auf dem Konzert fast auf die Füße kotzen. V. muss den Club mit einem CSU-Generalsekretär teilen, der beim Interview eine rot-weiße Club-Tasse in den Händen hält.

Eigentlich müsste da Hans Meyer kommen und sagen: Herr Söder, so geht das nicht. Ich bitte Sie, zeigen Sie die Tasse in der Öffentlichkeit nicht so her. Trinken Sie daheim daraus, wenn die Kinder aus der Schule kommen, aber tun Sie's heimlich. Schaden Sie uns nicht so mit ihrem Image, jetzt, wo auch noch der Hoeneß so auf Ihnen rumtrampelt, der ja beim Daum damals auch Recht behalten hat.

Eigentlich müssten beim Robbie-Williams-Konzert auch Ordner durch die Menge laufen und die 16-Jährigen erst wieder rein lassen, wenn Sie im Englisch-Abi mindestens 13 Punkte geschafft haben.

Eigentlich müsste Stoppok die Prolls einfach rauswerfen lassen.

Das mit der Tasse, das wirkt anbiedernd bei Markus Söder. So wie er sich an den Stoiber ranschmeißt, so schmeißt er sich auch an die Club-Fans ran.

V. übrigens besitzt keine Club-Tasse, sondern eine eher intellektuelle aus England auf der steht: "Some people say, football is a matter of life and death. I can assure you, it is much more serious than that."

Genau. Mit einer Tasse ist es da nicht getan.

Nachher geht's gegen Stuttgart.

22.1.07

Neue Zeichen

V. auf die Frage, wie es ihm geht: "Gut. Wir haben 4:1 gegen einen tschechischen Achtplatzierten gewonnen... Balladings... Ein tschechischer Club halt. Na, jedenfalls haben wir gewonnen." Dann widmet er sich wieder dem Aufbau unseres neuen, völlig überdimensionierten Kleiderschranks, in dem locker ein paar Auswechselspieler wohnen könnten.

Die vergangenen Wochen waren nicht einfach für V., noch immer ist Bundesligapause und nicht sehr viele Menschen möchten mit ihm über Fußball reden. Er tröstet sich mit Biatholon. Die Erlösung wartet am Ende dieser Woche, im Fernsehen läuft schon wieder Werbung für die Sportschau.

Trotzdem stehen die Zeichen gut:

1. Raphael Schäfer ist so gut wie verkauft. V. findet das gut, damit können dann noch ein paar Slowaken gekauft werden. Meinen Einwand, das ganze klinge immer ein bisschen nach Sklavenmarkt am Forum Romanum, wird er nicht gelten lassen.

2. Bald wird ein fränkischer protestantischer Club-Fan bayerischer Ministerpräsident sein.

Der Club kann nur Meister werden.

19.12.06

14. bis 17. Spieltag: Streik

Ihr habt es gemerkt, dieser Blog wurde bestreikt. Wegen zu viel Unentschieden. Deshalb zuerst Flucht in wärmere Gefilde und dann, als letztes Mittel: Streik.
Für mich waren die Spieltage 14 bis 16 ereignislos, für V. frustierend. Was er natürlich nun, in der wohlverdienten Winterpause wieder anders sieht. Er spricht auch wieder von Uefa-Cup-Plätzen. Manchmal meine ich, er nimmt auch gleich das gefährliche Wort "Champions League" in den Mund, aber noch schafft er es, es rechtzeitig wieder runterzuschlucken. Nur nicht zu früh freuen.

Während ich also so vor mich hin streikte, betrachtete ich V. beim Umgang mit diversen Unentschieden. Meine Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammen fassen:

1. Steht das Unentschieden nach 90 Minuten fest, ist V. frustriert.
2. Die Frustration steigt, spielt der Club eine Woche später wieder Unentschieden.
3. Proportional dazu nimmt die Abstiegsangst wieder zu, womit aber eine Verdrängung derselben einhergeht.

So ging das vom 14. bis zum 16. Spieltag.

Es änderte sich am vergangenen Samstag. Es begann mit Verdrängung. Nicht nur diverser Frustrationen und Abstiegsängste, sondern der ganzen Bundesliga. Statt um 15.30 Uhr nahezu hysterisch am Radio zu kleben, widmete sich V. ungerührt einem Computerspiel.
Er schien natürlich nur ungerührt, pünktlich um 17.10 setzte die von mir schon vermisste Hysterie dann doch ein:
V. springt auf, und zerrt das Radio (übrigens aus dem Besitz von T.) vom Bad in die Küche. Die letzten Minuten des Nürnberg-Hannover-Spiels könnte man fast als romantisch bezeichnen, wären im Hintergrund nicht Fußballkommentare zu hören gewesen.
Wir halten uns fest, wir halten uns an den Händen, es gibt Elfmeter, wir sind aufgeregt, wir gewinnen 2:1!

Da war es wieder, das fußballerische "wir". Morgens haben wir die Wohnung geputzt und Nachmittags 2:1 gegen Hannover gewonnen. Herz, was willst du mehr.

Gekrönt wurde dieser Tag übrigens von einem ganz besonderen Geschenk, das M. am Abend an V. überreichte: Ein gerahmtes Poster der Club-Mannschaft der Saison 1999/2000. Die Aufstiegsmannschaft! Mit Unterschriften!

In der U-Bahn sah ich V. verstohlen den Rahmen streicheln.

22.11.06

13. Spieltag: Danke, Club

Na bitte, es geht doch. Und danke übrigens an alle Club-Spieler, die sich vergangenen Samstag ins Zeug gelegt haben. Nach dem 3:2-Sieg gegen Leverkusen hat sich V. nun doch entschlossen, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Nicht vorzustellen, wie diese Entscheidung bei einem Unentschieden ausgefallen werden. Den Sieg hat er mit einem erfolgstrunkenen "Ich werd narrisch" kommentiert.

Wenn der Club so weiter macht, wird sich das negativ V.s Wohlergehen auswirken. Was haben sie ihn wieder hingehalten, erst in der 88. Minute das 3:2. Aber man muss ja auch mal loben, unter normalen Umständen (zum Beispiel eine Woche zuvor), wäre das ein 3:2 für Leverkusen gewesen.

Glück oder Taktik? Oder wollte Stefan Kießling seinen alten Verein gewinnen lassen?

13.11.06

12. Spieltag: Angekommen in der Gegenwart

Aachen. Ich habe von Fußball nicht viel Ahnung, das ist bekannt. Aber sogar ich habe kapiert, dass das mit Aachen eigentlich nicht so schwer hätte sein sollen. Aufsteiger, pah! Die putzen wir weg. War natürlich nicht so.

Und noch einmal möchte ich betonen, dass ich mit all meinem Fußballverstand schon vor Wochen beim ersten Unentschieden davor gewarnt habe, dass der Club in die alten Muster zurück fällt. Bis zum Schluss führen, gut spielen, in der 90. Minute noch ein Tor kassieren und unentschieden nach Hause fahren.

Natürlich war es gestern wieder so. Ich verkünde V. das Ergebnis per SMS und er meldet sich sofort von der anderen Seite des Atlantiks. Fegt wie Rumpelstilzchen durch sein Hotelzimmer und ereifert sich über den Tabellenplatz: 12.

Werter Leser, für mich ist nun alles wieder wie früher. V., der Club und ich sind angekommen in der Gegenwart, in der Realität. Und die ist nicht viel anders als vor einem Jahr oder in der vorletzten Saison. Der Club spielt gut, aber er gewinnt nicht und V. leidet. Das sind echte Fans, daran erkennt man, dass er einer IST.

Bremen hat übrigens verloren. Aber meine Leidenschaft war ja sowieso schon ein bisschen abgekühlt.

11. Spieltag: Englische Wochen

Menschen wie V. lieben eigentlich die englischen Wochen. Jeden Tag wird irgendwo Fußball gespielt, ein Fest für jeden Fan. Ich dagegen komme kaum noch mit. Welcher Spieltag? Gegen wen? Aber wir hatten doch erst gestern...?

Auch aus der Ferne, wo V. aus Frust und Trotz lieber amerikanische Wochen feiert, wird er mir meine neue Bremen-Gefolgschaft wohl kaum verzeihen.

Aber nachdem ich Tim Wiese gesehen habe, bin ich auch nicht mehr so überzeugt.

10. Spieltag: Zurück in die Realität

Tja, wäre F. mal Hertha-Fan gewesen, hätte er sich an diesem Spieltag gefreut. Für alle Traumtänzer, die es noch nicht gemerkt hatten und selig Videotext-Tabellen fotografierten, offenbarte dieses Wochenende die harte, kalte Wahrheit: Das Sommermärchen ist vorbei. Der erste Herbststurm pfeift durch Deutschland, der Strom fällt aus und der Club verliert in Berlin 2:1. V. ist erst konsterniert und dann so wütend, dass er Deutschland sofort verlässt.

9. Spieltag: Nicht werden, sondern sein


Ein wichtiges Detail unterscheidet mich von Menschen wie V. und anderen, zum Beispiel F., von dem gleich noch die Rede sein wird. Ich BIN kein Fußballfan und ich werde nie einer SEIN.

Denn: Fußballfan WIRD man nicht, man IST es. Fan einer Mannschaft zu sein, sei es Nürnberg (siehe V.) oder Dortmund (siehe T. oder auch F.) ist eine Nummer, aus der man nie wieder raus kommt. Man kündigt nicht die Gefolgschaft, weil die Mannschaft plötzlich Regionalliga spielt. Man findet nicht plötzlich Bremen gut, weil da Frings und Borowski spielen, die man (ich) auch nur kennt, weil man die WM verfolgt hat und "Deutschland - ein Sommermärchen" gesehen hat.

Vor diesem Hintergrund ist F.s Reaktion auf meine Werbemaßnahmen für diesen Blog ("Für Club-Fans und alle, die es werden wollen") nur verständlich.


F. (per E-Mail): Geht's?
(F. ist oft sehr minimalistisch in seinen Kommentaren.)

Ich: Oh sorry, hatte vergessen, dass du Hertha-Fan bist.
(F. wohnt in Berlin und ich erinnerte mich dunkel, dass er mal was von "Hertha", "Stadion" und "Samstag" gebrummelt hatte.)

F.: Geht's noch?

Ich: Äh...?

Woraufhin mir F. kommentarlos obiges Bild schickte.

So viel zum Unterschied zwischen richtigen Fans und ...

... mir.

Club und Dortmund trennten sich 1:1.

23.10.06

8. Spieltag: Unentschieden und irgendwie zufrieden

Hat sich da eine undefinierbare Gereiztheit in seine Stimme geschlichen? Kommt da plötzlich ein bisschen Schärfe rein?
"Heute gibt es nix zu bloggen", mault V. "War ja eh wieder nur unentschieden."
Es war auch wieder so ein blödes Sonntagsspiel. Anfangs war V. noch ganz motiviert. Schaltete im Videotext den Liveticker ein, ließ mich dann aber doch pseudofeministische Reportagen im Zweiten gucken und wechselte zum Internet.
Um mir fünf Minuten später beim Pseudofeminismus Gesellschaft zu leisten. Bemerkenswert. Das macht der Club mit meinem Freund, wenn er schlecht spielt. Ich fordere mindestens ein 1:0 nächste Woche.
Wenn der Club solala spielt wie gestern und letzte Woche und die Woche davor, verliert V. nicht viele Worte darüber. Nur ab und zu entfährt ihm in einem Gespräch, über das unangemessen hohe Gehalt von Gymnasiallehrern zum Beispiel, ein leicht verzweifeltes "Wieder nur unentschieden, so ein Scheiß." Aber er ruft es nicht, es ist auch keine Schärfe in seiner Stimme, fast keine Emotion sogar. Er muffelt es nur irgendwie in seinen Fünftagebart und kommt dann wieder zum Thema.
Heute Nachmittag hat er sich selbst ein bisschen Mut zugesprochen und mir geschrieben, dass er trotz des 2:2 ganz zufrieden sei. Er habe gerade herausgefunden, dass Nürnberg die beste Abwehr der Liga hätte ("Nur 6 Gegentore!!!") und er deshalb den fünften Platz richtig gut fände. Das hat er gestern Abend schon wie ein Mantra vor sich hin gemurmelt: "Uefa-Cup-Platz." Ich habe zwar immer noch nicht verstanden, wo da der genaue Unterschied zur Champions-League ist, aber so lange wir diesen Platz noch nicht sicher haben, muss ich das ja auch nicht wissen.

16.10.06

7. Spieltag: Unmögliches Unentschieden

Ich: Sag mal, auf welchem Platz ist denn der Club jetzt?
V. (Stimme leicht gequält, schleppend): Auf dem sechsten... Glaube ich... Schau doch noch mal nach...
Das dritte Unentschieden in Folge, Clubberer, so geht das nicht! Hat übrigens heute morgen im Radio auch der Trainer, Hans Meyer, bemerkt. Und vorgerechnet, dass der Club absteigen wird, sollte er bis zum Ende der Saison so weiter machen. Immer 1:1. Immer gut gespielt. Aber halt immer ohne den einen Punkt jeden Samstag, der zum Glück eben fehlt. Ich habe es ja schon vor drei Wochen angekündigt, da hat mir keiner geglaubt: Der Club verfällt wieder in die alten Muster.
Gestern bin ich übrigens noch mal um einen Stadionbesuch herum gekommen, denn wir fuhren gefährlich nahe an Nürnberg vorbei. "FCN - Bielefeld" war schon ausgeschildert. Ich will ganz ehrlich sein, ich hatte keinen Bock. Bei Stadionbesuchen geht mir jegliche Spontanität flöten. Ich will das planen, ich will mich innerlich darauf einstellen können und ich will einen richtigen Gegner. Bielefeld!, dachte ich noch gestern Mittag ein bisschen arrogant. Wenn ich schon ins Stadion gehe, dann gegen die Bayern oder so.
Vor was es mir im Stadion graut, sind allerdings die anderen Fans. Das geht mir auf Konzerten schon so: Oft sind mir die anderen Menschen, die auch dort sind, so unsympathisch, dass ich mich fast schon schäme, Fan von XY zu sein. Man träfe ja gern Seinesgleichen, und im vorliegenden Fall sind das sicherlich keine Menschen mit rot-weißen Schals, Jeanswesten und starkem mittelfränkischen Akzent. So wie ich bei Robbie Williams keine aufgeregten, halbnacken 15-Jährigen sehen will, sondern bitte nur coole Frauen Ende 20 mit Hochschulabschluss, die wissen, wie man "Escapology" ausspricht.
Ich weiß, meine Ansprüche sind einfach zu hoch. Vor allem im Fußballbereich.

12.10.06

Exkurs4: Unser Torwart spielt mit und ärgert sich

Was soll ich sagen? Ich hab es nicht gesehen und als ich nach Hause kam lag V. im Nationaltrikot schlafend auf dem Sofa, während sein Idol Günter Netzer erklärte, warum wir 4:1 gegen die Slowakei gewonnen haben. Nur Gott hat sich geärgert, wegen des "zu 1". Hab ich hinterher von Moni Lierhaus gehört.
Was erkennen wir? V. hat einen leichten Hang zum Negativismus, der sich in seiner Überzeugung, die Vittek und Mintal würden die deutsche Nationalmannschaft zu zweit überrennen, äußerte. Dieser Hang wird sich in Zukunft noch öfter melden, davon bin ich wiederum überzeugt.
Vielleicht hätten wir einfach in Nürnberg mal einen Saturn aufsuchen sollen. Hätten wir dann Marek Mintal bei den Spielekonsolen gesehen, wäre das ein echtes Zeichen gewesen.

8.10.06

Exkurs3: Unser Torwart versucht, mitzuspielen

Die Wahrnehmung eines Fußballspiels ist Sache des Geschlechts, das hat das Freundschaftsspiel Deutschland - Georgien gestern eindeutig bewiesen. Wir sind zu viert, zwei Frauen (K. - mit V. verwandt - und ich) sowie V. und M. (der an dieser Stelle virtuos gegoogelte Kommentare zum besten gibt, auf die sich V. immer freut, weil er da was lernt, wie er sagt).
V. ist wie immer, trägt sein Deutschland-Trikot und maßregelt Thomas Hitzlsperger: "Jetzt versucht der auch noch brasilianisch zu spielen! Von hinten! So ein Scheiß!"

K. bemerkt zu recht, dass es ein Fußballspieler echt schwer hat, wenn V. nur mal beschlossen hat, ihn nicht zu mögen.

Wie Timo Hildebrandt. Den findet K. süß. V. findet ihn untalentiert. Ein Torwart, der eben nur versucht, mitzuspielen.

M., das geballte Fußballwissen, schweigt. Dabei hat er V. eine fünfjährige Karriere beim badischen FV Allemania Bruchhausen voraus.
M. schweigt auch zu Bastian Schweinsteiger, der immerhin ein phänomenales Tor macht. K. schwärmt für Schweini, denn "der ist nett", Lehmann aber "ist Gott". In der Halbzeitpause googeln wir Jens Lehmann und seufzen ein bisschen vor uns hin. V. und M. natürlich nicht. Die verfolgen das Spiel. K. bereichert es durch Kommentare, die nur ein Fußball-Laie abgeben kann und ich bin froh, dass ich heute damit nicht alleine bin.

Ballack humpelt.
K: Oh, warum humpelt der?
V: Ach, weil der Ballack immer humpelt!

Ballack spuckt.
K: Muss der immer spucken!
V: Fußballer spucken halt.

Ballack macht dann auch ein Tor, Poldi kriegt Rot, auch noch zu Recht und Hitzlsperger wird ausgewechselt. V. macht das Victory-Zeichen und Deutschland gewinnt 2:0.

Nur dumm, dass uns Vittek und Mintal am Mittwoch vom Platz putzen.

6. Spieltag: Schafft den Sonntag ab

Der Sonntag nervt. Nicht nur, weil wir uns da schon in der Grundschule gelangweilt haben, es meistens regnet und die Geschäfte zu haben. Der Sonntag nervt besonders deshalb, weil auch Bundesligaspiele sonntags stattfinden. Und der Club dann am Sonntag die Tabellenführung vom Samstag an Hertha BSC abgeben muss. Bäh. Immerhin sieht Falko Götz, der Trainer von Hertha, ganz gut aus. Besser als Hans Meyer. Der dafür der lustigste Coach im ganzen Fußball-Universum ist. Das Aussehen interessiert V. jetzt nicht so. Mich schon.
Kurze Zusammenfassung des wenig ereignisreichen 6. Spieltages: V. hängt mit einem Ohr am Autoradio, der Club spielt schon wieder 1:1 und wird dafür gelobt, als hätten sie alle zusammen die Erde vor einem Meteoriten gerettet. Starring: Hans Meyer als "Bruce Willis" in "Armageddon in Mainz".
Häme prallt an V. ab. Zum Beispiel die von B., einem jungen Bayern-Fan, die die Tabellenführung des Club am Samstagabend so kommentiert: "Er werden sie gemästet, dann geschlachtet."
Immer diese Bayern-Fans. In jedem ein kleiner Uli Hoeneß.

27.9.06

Fast geheult

"Jetzt schmeiß ich's gleich weg", sagt V. und seine Stimme klingt beleidigt. "Wenn du es nicht lesen willst, schmeiß ich's weg."
Vor zwei Tagen hat er mir auf dem Küchentisch den Sportteil der Süddeutschen Zeitung hinterlassen. Mit einem großen - V. sagt "wunderschönen" - Artikel über den Club. Dazu hat er auf einen Zettel geschrieben, er hätte bei der Lektüre fast geheult.
Wir erinnern uns, erst am 2. Spieltag hatte sich V. zum wiederholten Mal über die desaströse Club-Berichterstattung der SZ beschwert, die sich in seinen Augen seit Jahren bemüht, den Club mit 50-Zeilen-Einspaltern zu ignorieren. Wir erinnern uns an den 1. Spieltag: Da hat der Club gegen Stuttgart gewonnen - und welchem Verein widmete die SZ eine halbe Seite? Stuttgart natürlich.
Ich kann also verstehen, dass V. völlig aus dem Häuschen ist. Wer sich immer plagt und schindet, der will auch mal gelobt werden. Wie Bruce Willis in "Stirb langsam". Quält und schindet sich zwei Stunden lang, kriegt das Unterhemd dreckig gemacht und immer eins auf die Nase, immer feste druff, und wenn er dann am Ende die Welt gerettet hat, klopft ihm nicht mal einer auf die Schulter.
Ich weiß, der Vergleich hinkt so, der stolpert schon. Aber das ist Fußball, da kann auch mal was hinken. Sonst hätten Fußball-Kommentatoren schon lange nichts mehr zu sagen.
Es war also ein sehr schöner Artikel in der SZ, heute habe ich ihn endlich gelesen, bevor er aus Trotz im Papierkorb landete.
Wobei ich, Kennerin die ich bin, ja fand, dass der Club plötzlich für etwas gelobt wird, das vor einem halben Jahr noch schlecht war: 90 Minuten lang super spielen und dann doch noch ein Tor kassieren. Plötzlich ist das gar nicht schlimm.
Weil es jetzt ganz anders ist, sagt V.
Habe ich nicht verstanden.